Sprecherausschüsse

Im Arbeitsrecht :

I. I. Das BetrVG 1972 hat die leitenden Angestellten als AN qualifiziert, sich aber bewusst einer Vertretungsregelung enthalten (BT-Drucks. 11/2503 S. 25). Das BAG hat aus dem Sozialstaatsgebot abgeleitet, dass sich Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (1. A.) bilden könnten (AP 9 zu § 5 BetrVG 1972 = BB 75, 925). Das Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (1. A.) (SprecherausschussG-SprAuG) v. 20. 12. 1988 (BGBl. 1 2312) m. spät. Änd. nebst Wahlordnung vom 28. 9. 1989 (BGBl. I 1798).
2. Das SprAuG ist ein Organisationsgesetz. Es verdrängt die freiwillig gebildeten SprA. Da die erstmaligen Wahlen zum SprA in der Zeit vom 1. 3.-31. 5. 1990 stattgefunden haben, ist deren Amtszeit mit der Wahl beendet. Die Amtszeit der freiwilligen SprA hat unabhängig davon am 31. 5. 1990 geendet, ob ein gesetzlicher SprA gewählt worden ist oder nicht. Freiwillige SprA können hinfort nicht mehr gewählt werden. Ob dies auch für sonstige Gruppierungen 1. A. gilt, ist umstr. Soweit sie nicht dieselben Aufgaben wie ein SprA wahrnehmen, ist dies zu verneinen.
II. 1. Ein SprA ist zu wählen (1) in Betrieben mit idR mindestens zehn 1. A. (Ausnahme § 1 II, III) und (2) sofern bislang ein gesetzlicher SprA nicht bestand, die Mehrheit der 1. A. dies beschliesst (§ 7 II SprAUG). Um eine Parallelität mit dem BetrVG herbeizuführen, ist nach §§ 16, 17 SprAuG ein Gesamtsprecherausschuss u. nach § 21 SprAuG ein freiwilliger Konzernsprecherausschuss zu bilden. Lit.: Kramer BB 93, 2153.
2. Betriebsübergreifende SprA sind zu wählen in Betrieben mit idR weniger als 10 1. A. Sie gelten als Angestellte des räumlich nächstgelegenen Betriebes mit mehr als 10 1. A. (§ 1 II SprecherausschussG). Hierdurch wird gewährleistet, dass kein 1. A. unvertreten bleibt, wenn sich die Mehrheit für eine Vertretung ausgesprochen hat. Andererseits können sich Probleme ergeben, wenn ein Betrieb einem fachfremden Betrieb zugeschlagen wird.
3. Sind in einem Unternehmen mit mehreren Betrieben idR
insgesamt mindestens 10 1. A. beschäftigt, kann abweichend von der Rechtslage unter 2 ein Unternehmenssprecherausschuss gewählt werden, wenn dies die Mehrheit der 1. A. des Unternehmens verlangt. Ein UnternehmensSprA kann mithin gebildet werden, wenn (1) ein Unternehmen mehrerer Betriebe mit mind. je 10 1. A., (2) ein Unternehmen insgesamt mehr als 10 1. A., (3) ein Unternehmen mehrere Betriebe mit teils mehr und teils weniger als 10 1. A. hat. Dagegen unterfällt nicht dem § 1 II SprAuG, dass ein Unternehmen einen Betrieb mit mindestens 10 1. A. hat u. alle anderen Betriebe weniger als 101. A. haben (§ 20 I SprAuG).
4. Die Wahl. Die Zahl der Mitglieder und die Geschäftsführer des SprA sind in §§ 3ff. SprAuG geregelt. Die Vorschriften lehnen sich im allgemeinen eng an die Vorschriften für den Betriebsrat an.
Dagegen sind die Mitglieder des SprA weitaus weniger gesichert. Sie verfügen über keinen besonderen Kündigungsschutz. Allerdings dürfen sie in der Amtsausübung nicht gestört werden. Ist dies der
Fall, so sind Kündigungen u. sonstige Massregelungen unwirksam (§ 134 BGB).
III. 1. Der BR hat die Interessen der Arbeiter u. -s Angestellten ( Betriebsratsaufgaben) zu vertreten. Der SprA vertritt die Belange der I. A. des Betriebes (§ 25 I SprAuG). Um eine Konkurrenz der Vertretungsorgane zu verhindern u. ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten, kann nach § 2 II SprAuG dem -s Betriebsrat o. einzelnen Mitgliedern das Recht eingeräumt werden, an Sitzungen des SprA teilzunehmen. Andererseits kann auch der BR dem SprA das Recht einräumen, an Sitzungen der BR teilzunehmen. Einmal im Kalenderjahr soll eine gemeinsame Sitzung stattfinden.
2. Der BR hat umfangreiche Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte. Dagegen sind die Rechte des SprA weitaus schwächer ausgestaltet. Insoweit ergibt sich ein Vorrang der Regelungskompetenz kollektiver Belange für den BR. Nach § 2 I 2 SprAuG hat der AG vor Abschluss einer Betriebsvereinbarung o. sonstigen Vereinbarung, die die rechtlichen Interessen der 1. A. berührt, den SprA anzuhören. Unterbleibt die Anhörung, so bleibt hiervon die Wirksamkeit der Vereinbarung unberührt. Der Begriff der rechtlichen Interessen ist enger als der der berechtigten Interessen. Rechtliche Interessen sind nur dann gegeben, wenn unmittelbar in Rechtsansprüche der I. A. eingegriffen wird. Das kann zB. der Fall sein, wenn bislang aus einem Fundus von Werkswohnungen Arbeiter, Angestellte u. 1. A. bedient wurden u. der BR durchsetzt, dass hinfort nur noch Werkswohnungen nach sozialen Gesichtspunkten vergeben werden. Dagegen werden nur berechtigte Interessen berührt, wenn der AG erstmals mit dem BR vereinbart, wie die Werkswohnungen vergeben werden.
IV. Die Mitwirkungsrechte des SprA ergeben sich aus §§ 25 bis 32 SprAuG.
1. a) Nach § 25 I SprAuG vertritt der SprA die Belange der 1. A. des Betriebes (§ 1 I SprAuG) u., sofern ein Unternehmenssprecherausschuss (II 3) gewählt worden ist, die des Unternehmens (§ 20 IV SprAuG). Aus § 25 I SprAuG lässt sich nur das repräsentationsrechtliche Mandat des gesetzlichen SprA ableiten, dagegen keine Allzuständigkeit, denn sonst wären die geregelten Mitwirkungstatbestände überflüssig. Unberührt von dem Vertretungsmandat bleibt die Wahrnehmung der Belange durch den einzelnen Angestellten.
b) Die Beteiligungsrechte des SprA beschränken sich auf Unterrichtungs-, Anhörungs- u. Beratungsrechte. Dagegen stehen ihm keine Mitbestimmungsrechte zu. Da die 1. A. ohnehin der Unternehmensleitung zugerechnet werden, sollte die Unternehmensleitung keinen Gegner im eigenen Lager haben. Lit.: Kramer NZA 93, 1024.
2. a) Der I. A. kann bei der Wahrnehmung seiner Belange gegenüber dem AG ein Mitglied des SprA hinzuziehen (§ 26 I SprAuG). Der 1. A. hat das Recht, in seine Personalakte Einsicht zu nehmen. Auch hierbei kann ein Mitglied des SprA hinzugezogen werden. Dieses hat über den Inhalt der Akte Stillschweigen zu bewahren.
b) Nach § 27 SprAuG haben AG und SprA darüber zu wachen, dass die 1. A. nach Recht und Billigkeit behandelt werden. § 27 ist § 75 BetrVG nachgebildet.
3. a) Nach § 28 I können AG u. SprA Richtlinien über den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen der 1. A. schriftlich vereinbaren. Sie entsprechen den Regelungsabreden im BetrVG (Betriebsvereinbarung). Sie entfalten für das einzelne Arbeitsverhältnis nur dann Wirkungen, wenn sie einzelvertraglich in das Arbeitsverhältnis umgesetzt werden. Der AG ist gegenüber dem SprA nicht verpflichtet, bei der Einzelvereinbarung sich an die Richtlinien zu halten.
b) AG u. SprA können in den Richtlinien vereinbaren, dass sie unmittelbar u. zwingend für die Arbeitsverhältnisse gelten. Es steht mithin in deren Regelungskompetenz, ob sie Mindestarbeitsbedingungen vereinbaren. Ist eine entspr. Vereinbarung getroffen, so gilt das Günstigkeitsprinzip. Ohne Zustimmung des
SprA kann der 1. A. nicht auf Rechte einer Vereinbarung verzichten. Nebel DB 90, 1512; Oetker BB 90, 2181.
c) Die Vereinbarungen können mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden, sofern nichts anderes vereinbart ist (§ 28 II 4 SprAuG). Eine Nachwirkung der Vereinbarung ist im Unterschied zu Betriebsvereinbarungen nicht vorgesehen.
4. Nach § 30 SprAuG hat der AG den SprA rechtzeitig zu unterrichten gegenüber (1) Änderung der Gehaltsgestaltung u. sonstiger allgemeiner Arbeitsbedingungen sowie (2) Einführung o. Änderungen allgemeiner Beurteilungsgrundsätze. Die vorgesehenen Massnahmen sind mit dem SprA zu beraten.
a) Gehaltsgestaltung sind wie die Lohngestaltung in § 87 I Nr. 10 kollektive u. abstrakte Regelungen über die Gehaltsfindung. Sie umfasst auch die Bildung von Gehaltsgruppen u. die Bandbreite der einzelnen Gehaltsgruppen. Zu den allgemeinen Arbeitsbedingungen zählen alle Bedingungen, die Inhalt des einzelnen Arbeitsvertrages sein können; diese können materielle (zB. Ruhegeld) als auch formelle (Lage der Arbeitszeit) sein. Beurteilungsgrundsätze sind wie im BetrVG Regelungen über die Bewertung des Verhaltens u. der Leistung der 1. A.
b) Aus § 25 II i. V. m. § 30 SprAuG wird sich nicht das Recht ableiten lassen, dass der SprA in die Lohn- u. Gehaltslisten der 1. A. Einsicht nehmen kann (umstr.).
5. In § 31 SprAuG sind die personellen Mitwirkungsrechte geregelt.
a) Eine beabsichtigte Einstellung o. personelle Veränderung eines 1. A. ist dem SprA rechtzeitig mitzuteilen (§ 31 I SprAuG). Die Vorschrift entspricht der Mitteilungspflicht an den BR nach § 105 BetrVG).
b) Der SprA ist vor jeder Kündigung eines 1. A. zu hören. Der AG hat ihm die Gründe der beabsichtigten Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des SprA ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Das Verfahren ist der Anhörung des BR nachgebildet. Bauer BB 91, 274; Loewisch BB 90, 1412.
c) Ist zweifelhaft, ob ein Angestellter 1. A. ist, erfolgt zweckmässig die Anhörung des SprA u. des BR. Auch wenn ein Zuordnungsverfahren nach § 18a BetrVG stattgefunden hat, entfaltet dies für die Kündigung keine Bindungswirkung.
d) Die Mitglieder des SprA unterliegen wegen der personellen Angelegenheiten einer besonderen Verschwiegenheitspflicht (§ 31 III SprAuG).
6. a) In wirtschaftlichen Angelegenheiten hat der AG den SprA mindestens einmal im Kalenderhalbjahr zu unterrichten (§ 32 I SprAuG). Die wirtschaftlichen Angelegenheiten werden durch Verweisung auf § 106 III BetrVG konkretisiert. Keine Unterrichtungspflicht besteht in Tendenzbetrieben.
b) Der Unternehmer hat den SprA über geplante Betriebsänderungen i. S. von § 111 BetrVG, die auch wesentliche Nachteile für 1. A. zur Folge haben können, rechtzeitig u. umfassend zu unterrichten. Zumeist wird vertreten, dass durch die Verweisung auf § 111 BetrVG sichergestellt hat werden sollen, dass das Recht nur in Betrieben mit idR. mehr als 20 wahlberechtigten Angestellten besteht. Was unter Betriebsänderungen zu verstehen ist, ergibt sich aus § 111 BetrVG. Der SprA hat keinen Anspruch auf einen Interessenausgleich; damit entfällt ein Anspruch auf Nachteilsausgleich. Ebensowenig ist ein Anspruch auf einen Sozialplan gegeben.
Lit.: Bauer, NZA 89 Beil., Nr. 1, 20; Dänzer-Vanotti, DB 90, 41; Gaul, PersF 89, 987; Oetker, ZfA 90, 43; Wlotzke, DB 89, 111, 173.




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