condictio indebiti

Grundtatbestand und praktisch wichtigster Fall der Leistungskondiktion, die der Rückabwicklung von Leistungen auf eine tatsächlich nicht bestehende Schuld dient (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB). Voraussetzung des Anspruchs aus einer condictio indebiti ist, dass die Leistung des „etwas” (anfänglich) ohne Rechtsgrund (bei späterem Wegfall des Rechtsgrundes greift die condictio ob causam finitam ein) erfolgte (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB).
Was als die condictio indebiti ausschließender Rechtsgrund einer Leistung anzusehen ist, ist str. Nach dem heute in der Literatur überwiegend vertretenen subjektiven Rechtsgrundbegriff ist von der nach heute h. M. als Wesensmerkmal der Leistung verlangten Zweckbestimmung auszugehen, so dass bei Erreichung eben dieses (rechtlich relevanten) Zwecks ein Rechtsgrund vorliegt, während die Verfehlung des Zwecks zur Rechtsgrundlosigkeit der Leistung führt. Nach dem objektiven Rechtsgrundbegriff ist Rechtsgrund der Leistung dagegen ein wirksames Kausalverhältnis, aus dem sich ergibt, dass der Empfänger dem Leistenden gegenüber zum Behalten des Erlangten berechtigt ist. Da beide Auffassungen regelmäßig zu denselben Ergebnissen kommen, ist die dogmatisch genaue Bestimmung des Rechtsgrundes von geringer praktischer Bedeutung.
Bei der Leistung auf eine Schuld („solvendi causa”) ist Rechtsgrund i. S. d. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB der bezweckte Erfüllungserfolg (subjektiver Rechtsgrundbegriff) bzw. das der Schuld zugrunde liegende Kausalverhältnis (objektiver Rechtsgrundbegriff). Besteht (jedenfalls im Verhältnis der Parteien des Leistungsverhältnisses) tatsächlich keine wirksame Verbindlichkeit oder ist die Leistung nicht zur Erfüllung der Verbindlichkeit geeignet, fehlt der Rechtsgrund (weil die bezweckte Erfüllung nicht erreicht werden kann bzw. weil kein kausaler Anspruch des Empfängers zum Behalten der Leistung berechtigt).
Die Notwendigkeit der condictio indebiti ergibt sich auch aus dem Abstraktionsprinzip: Die zur Erfüllung eines (kausalen) Rechtsgeschäfts (z.B. Kaufvertrag) vorgenommenen Rechtsgeschäfte (z. B. Übereignung der Kaufsache und des Kaufpreises) sind rechtlich unabhängig von dem kausalen Rechtsgeschäft und werden durch dessen etwaige Unwirksamkeit regelmäßig nicht berührt. Sie bleiben daher wirksam und müssen ggf. mit der condictio indebiti rückabgewickelt werden.
Dem Fehlen des Rechtsgrundes steht das Bestehen einer dauernden Einrede (z.B. aus den §§ 821, 853, 1166, 1973, 1975, 1990, 2083, 2345 BGB) gegen die Forderung, auf die geleistet wurde, gleich (§ 813 Abs. 1 S.1 BGB; dies gilt nicht für die Einreden der Verjährung, § 813 Abs. 1 S. 2 BGB, und der fehlenden Fälligkeit einer vorzeitig erfüllten sog. betagten Forderung, § 813 Abs. 2 BGB).

Ausgeschlossen ist die condictio indebiti,
— wenn in positiver Kenntnis der fehlenden Verpflichtung vorbehaltlos geleistet wurde (§ 814, 1. Fall BGB),
— wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer aus Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach (§ 814, 2. Fall BGB),
— im Falle des (über seinen Wortlaut hinaus für alle Leistungskondiktionen geltenden) § 817 S.2 BGB (condictio ob turpem vel iniustam causam),
— und im Regelfall der von volljährigen Geschäftsunfähigen vorgenommenen Geschäfte des täglichen Lebens (§ 105a BGB).

= Anspruch auf Rückgewähr einer nicht geschuldeten Leistung (ungerechtfertigte Bereicherung, 2 b).




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