körperliche Untersuchung

strafprozessuale Zwangsmaßnahme, die den körperlichen Eingriff beim Beschuldigten einer Straftat gestattet. Sie darf gemäß § 81 a StPO zur Feststellung von Tatsachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind, durch das Gericht, bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung auch durch die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen, angeordnet werden.
Die Frage der Anordnungskompetenz und der Grenzen der Annahme von Gefahr im Verzug - insbes. bei Blutproben - hat in jüngster Zeit zu einer erheblichen Diskussion in Rspr. und Lit. geführt. Das BVerfG (NJW 2007, 1345) geht davon aus, dass die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig versuchen müssen, zunächst eine richterliche Anordnung zu erlangen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs müsse mit auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen begründet und aktenkundig gemacht werden. Ob beim Verdacht einer Trunkenheit im Verkehr grundsätzlich die Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Erlangung der Blutprobe einhergehende Verzögerung (Alkoholabbau) gegeben ist, erscheint nach der Rspr. des BVerfG fraglich, entspricht aber überwiegender Praxis. Eine rechtlich fehlerhafte Annahme von Gefahr im Verzug führt hinsichtlich des Untersuchungsergebnisses der Blutprobe in der Regel nur bei Willkür oder bei Vorliegen eines besonders schweren Fehlers zu einem Beweisverwertungsverbot (OLG Stuttgart, NStZ 2008, 238; vgl. auch BVerfG NJW 2008, 3053). Zu unterscheiden sind:
* Einfache körperliche Untersuchungen gemäß § 81 a Abs. 1 S.1 StPO, die ohne weiter gehende Eingriffe den Körper zum Augenscheinsobjekt machen. Abzugrenzen ist die Maßnahme daher von der Durchsuchung der Körperoberfläche gemäß § 102 StPO, die nicht auf den Körper selbst, sondern auf das Auffinden (verborgener) Gegenstände gerichtet ist. Der Beschuldigte muss die Untersuchung dulden, ist aber wegen des Grundsatzes „nemo tenetur se ipsum accusare” nicht zu einer aktiven Mitwirkung verpflichtet (str. bei der Brechmittelvergabe).
* Körperliche Eingriffe i. S. d. § 81 a Abs. 1 S. 2 StPO liegen dagegen vor, wenn dem Körper - auch nur geringfügige - Verletzungen beigebracht werden. Der Eingriff muss daher von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst („lege artis”) vorgenommen werden. Weitere Voraussetzung ist, dass keine Nachteile für die Gesundheit des Beschuldigten zu befürchten sind.
- Die Entnahme einer Blutprobe ist der häufigste Anwendungsfall des körperlichen Eingriffs, da anhand der Blutprobe insbesondere bei Trunkenheitsfahrten die Feststellung der Blutalkoholkonzentration (BAK) zur Tatzeit möglich ist. Eine vorhergehende Atemalkoholmessung als milderes Mittel ist nach h. M. nicht erforderlich; gegen den Willen des Beschuldigten ist eine solche als aktive Mitwirkungshandlung ohnehin unzulässig. Für die entnommenen Blutproben sowie sonstige Körperzellen regelt § 81 a Abs. 3 StPO, dass diese nur für Zwecke des der Entnahme zugrunde liegenden oder eines anderen Strafverfahrens verwendet werden dürfen; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.
Ungeschriebene Voraussetzung aller Maßnahmen aufgrund § 81 a StPO ist die Verhältnismäßigkeit; die Schwere des Eingriffs muss in Beziehung zur Schwere des Tatvorwurfs stehen und es darf kein milderer, gleich wirksamer Eingriff in Betracht kommen. Verstöße gegen § 81 a StPO führen i. d. R. nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
„Schulbeispiel” ist die Entnahme einer Blutprobe durch die Krankenschwester anstelle des approbierten Arztes: Ein Verwertungsverbot liegt nach h. M. nicht vor, da die Hinzuziehung eines Arztes nicht die Qualität des Beweismittels sichern, sondern den Beschuldigten vor leichtfertigen und unsachgemäßen Eingriffen bewahren soll (BGHSt 24, 125ff). Anders jedoch, wenn ein bewusster Verstoß des Anordnenden vorliegt, der die fehlende Qualifikation der die Blutprobe entnehmenden Person kennt. Ein Verwertungsverbot ist andererseits auch bei Verstoß gegen die Anordnungskompetenz oder Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verneint worden.




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