sofortiger Vollzug

sofortige Anwendung eines Zwangsmittels im Verwaltungszwangsverfahren. Im Unterschied zum gestreckten Verfahren und zum abgekürzten Verfahren ist beim sofortigen Vollzug die Anwendung von Zwangsmitteln zulässig, ohne dass zuvor eine HDU-Verfügung erlassen wurde. Darüber hinaus ist weder eine vorherige Androhung noch eine vorherige Festsetzung des Zwangsmittels erforderlich (vgl. z.B. § 13 Abs. 1 S.1, § 14 S.2 BVwVG).
Abgrenzungen. Der sofortige Vollzug darf nicht mit der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S.1 Nr. 4 VwG() verwechselt werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist im gestreckten Verfahren von Bedeutung und bewirkt, dass eine erlassene HDU-Verfügung schon vor Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit vollstreckbar ist. Terminologisch unglücklich ist in diesem Zusammenhang die in § 6 Abs. 1 BVwVG verwandte Formulierung „wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet ist”. Die Formulierung hat heute keine eigenständige Bedeutung mehr. Sie stammt noch aus der Zeit vor Inkrafttreten der VwGO und meint, „wenn gem. § 80 Abs. 2 S.1 Nr.4 VwG() die sofortige Vollziehung angeordnet ist”.
Rechtmäßigkeit der Zwangsanwendung im sofortigen Vollzug nach Bundesrecht (zu den einschlägigen landesrechtlichen Regelungen, die mit Modifikationen im Einzelfall der Systematik des BVwVG folgen, Verwaltungsvollstreckungsrecht).
Bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für den sofortigen Vollzug ist §6 Abs. 2 BVwVG. Die Vorschrift ist unanwendbar, wenn es um die Durchsetzung einer Geldforderung geht (Beitreibungsverfahren), ein Fall der unmittelbaren Ausführung vorliegt oder wenn sich die Befugnis zur Zwangsanwendung bereits aus der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage ergibt (Verwaltungszwangsverfahren).§ 6 Abs. 2 BVwVG betrifft zwar ausdrücklich nur den Fall der Anwendung von Verwaltungszwang „ohne vorausgehenden Verwaltungsakt”. Die Vorschrift ist aber auch („erst recht”) anwendbar im Fall des abgekürzten Verfahrens.
Formelle Rechtmäßigkeit. Für die Anwendung des
Zwangsmittels im sofortigen Vollzug ist die Vollzugsbehörde zuständig. Einer Anhörung vor Anwendung des Zwangsmittels bedarf es nicht. Dies gilt selbst dann, wenn man die Anwendung des Zwangsmittels im sofortigen Vollzug als Verwaltungsakt ansieht, denn in diesem Fall ist die Anhörung gem. § 28 Abs. 2 Nr.5 VwVfG entbehrlich.
Materielle Rechtmäßigkeit. In materieller Hinsicht müssen zunächst die Vollstreckungsvoraussetzungen des §6 Abs.2 BVwVG gegeben sein. Danach
muss die Behörde bei Anwendung des Zwangsmittels — d. h. im Zeitpunkt des Einschreitens — erstens im
Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt haben. Das ist
der Fall, wenn die Behörde dem Betroffenen durch einen Verwaltungsakt die Handlung, Duldung oder Unterlassung hätte aufgeben können, die sie im Wege des
sofortigen Vollzugs erzwungen hat. Zu prüfen ist also die Rechtmäßigkeit einer hypothetischen Grundverfügung. Es muss zweitens eine drohende oder gegenwärtige Gefahr vorliegen. Einige vollstreckungsrechtliche Bestimmungen heben dabei ausdrücklich
die Verhinderung einer rechtswidrigen, mit Strafe
oder Geldbuße bedrohten Handlung als Beispiel für eine regelmäßig bestehende Eilbedürftigkeit hervor.
Die Anwendung des Zwangsmittels ohne vorausgehenden Verwaltungsakt muss drittens notwendig sein. Das ist — wie manche Vorschriften verdeutlichen
— insbesondere dann der Fall, wenn der Erlass einer
HDU-Verftigung gegen den Betroffenen nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. An der Notwendigkeit des sofortigen Vollzugs fehlt es demgegenüber, wenn der Zweck der Maßnahme auch im gestreckten Verfahren erreicht werden kann.
Weitere Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist die Anwendung eines zulässigen Zwangsmittels. Dabei
kommen nur die Ersatzvornahme und der unmittelbare Zwang in Betracht, da ein Zwangsgeld nicht im Wege des sofortigen Vollzugs beigetrieben werden kann.
Die Anwendung des Zwangsmittels muss ordnungsgemäß insbesondere unter Berücksichtigung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgt sein (vgl. z.B. § 9 Abs. 2 BVwVG), wobei für die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwangs etwaig bestehende Sonderregelungen zu berücksichtigen sind. Schließlich durften keine Vollstreckungshindernisse bestehen.
Über die Frage des richtigen Rechtsschutzes gegen die Anwendung von Zwangsmitteln im sofortigen
Vollzug besteht Streit. Nach einer Meinung kann der
Betroffene Widerspruch bzw. Anfechtungsklage erheben und im Fall der Erledigung die Rechtswidrigkeit
des sofortigen Vollzugs im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) feststellen lassen. Dabei wird zum Teil die Auffassung vertreten,
mit der Anwendung des Zwangsmittels werde gegenüber dein Pflichtigen konkludent ein Verwaltungsakt
erlassen. Nach anderer Auffassung ergibt sich aus § 18
Abs. 2 BVwVG, wonach gegen den sofortigen Vollzug die gegen Verwaltungsakte gegebenen Rechtsmittel zulässig sind, dass der sofortige Vollzug zumindest wie ein Verwaltungsakt zu behandeln ist. Nach der Gegenmeinung handelt es sich bei der Anwendung des Zwangsmittels ebenso wie im gestreckten Verfahren um einen Realakt ohne Regelungswirkung. Die Konstruktion eines Verwaltungsaktes sei auch aus Rechtsschutzgründen nicht erforderlich. Der Betroffene könne im Wege der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) klären lassen, dass die Behörde zu der Zwangsanwendung nicht berechtigt war.




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