Rechtsethik

Nach von der Pfordten (Rechtsethik, 2001, 100ff., 532) ist die herkömmliche Unterscheidung zwischen Naturrecht und Rechtspositivismus zu undifferenziert; zu unterscheiden seien vielmehr der rechtsethische Nihilismus, der rechtsethische Reduktionismus, der rechtsethische Normativismus und der rechtsethische Essentialismus. Der rechtsethische Nihilismus halte eine rechtsethische Kritik des Rechts für unmöglich (der skandinavische Rechtsrealismus; Luhmann); der rechtsethische Reduktionismus (Kelsen, Schmitt) halte eine derartige Kritik für möglich, aber sei normativ abzulehnen; der rechtsethische Normativismus (Hobbes, Kant, Hart, Radbruch) vertrete die Auffassung, dass eine derartige Kritik des Rechts möglich und normativ geboten sei; der rechtsethische Essentialismus (Dreier, Alexy) schließlich postuliere nicht nur eine normativ, sondern sogar eine begrifflich oder ontisch notwendige Verbindung zwischen Recht und Ethik.
Eine materiale Rechtsethik, die immer als Teil der politischen Ethik anzusehen sei, habe sich zu einer stärkeren Ausgestaltung des (z.B. sozial limitierten) normativen Individualismus entwickelt. Von der Pfordten versucht auf der Grundlage des Humanismus und in relativer Übereinstimmung mit den Wertungen des Grundgesetzes, mit der sog. Dreizonentheorie ein eigenständiges Modell einer materialen Rechtsethik zu entwickeln. Er unterscheidet zwischen nicht, partiell und ausschließlich gemeinschaftsabhängigen Interessen, also zwischen (1) einer Individualzone (Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit), (2) einer Relativzone, die sich auf alle Menschenrechte beziehe, die nicht schon durch die Individualzone abgedeckt seien und (3) einer politischen Zone (Interesse an gemeinsamen Gütern, an Natur- und Kulturgütern), die nach einem differenzierenden Gleichheitsprinzip zu organisieren seien. Die Individualzone verlange gleiche Freiheit, die Relativzone Freiheit und proportionale Gleichbehandlung, die politische Zone freie Beteiligung und Gleichbehandlung nach Maßgabe von Effizienz und Sozialität. Im Vergleich zu dem Rawlsschen Modell regele die Dreizonentheorie der Gerechtigkeit die Individualbelange liberaler und die Sozialbelange sozialer; das Spektrum divergierender Gerechtigkeitslösungen sei größer.




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