Vertrag von Nizza

völkerrechtlicher Vertrag v. 26.2. 2001 zur Änderung des EU-Vertrages, der Gemeinschaftsverträge sowie weiterer Gemeinschaftsakte zwischen den 15 Mitgliedstaaten der EU. Neben dem Vertrag von Maastricht und dem Vertrag von Amsterdam der bislang letzte Vertrag ein weiterer Vertrag zur Fortschreibung des primären Gemeinschaftsrechts. Im Vordergrund stand die Vorbereitung der EU auf die bevorstehenden Beitritte weiterer Mitgliedstaaten. Zentrale Aufgabe war es, die EU und die Europäischen Gemeinschaften institutionell so umzugestalten, dass auch bei einer Erweiterung auf 27 Mitgliedstaaten die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit erhalten bleiben. Im Wesentlichen sind folgende Änderungen hervorzuheben:
Organe: Die Ernennung des Kommissionspräsidenten und der Mitglieder erfolgt - unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments - durch den Rat der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheit. Zugleich wird die Stellung des Kommissionspräsidenten gestärkt, seine Befugnisse werden erweitert. Die Zahl der Kommissionsmitglieder wird entsprechend den geplanten Beitritten erhöht. Die fünf großen Mitgliedstaaten verzichten auf ihr bisheriges zweites Mitglied. Bei einer Größe von 27 Mitgliedstaaten soll die Zahl der Kommissionsmitglieder unter der Zahl der Mitgliedstaaten liegen.
Die Anzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments wird von derzeit 626 auf maximal 732 Mitglieder erhöht. Weiterhin erhält es die privilegierte Klagebefugnis im Vertragsverletzungsverfahren.
Im Bereich der europäischen Gerichtsbarkeit ist die statusrechtliche Gleichstellung von EuGH und EuG hervorzuheben. Das EuG wird nunmehr als autonomes Rechtsprechungsorgan anerkannt. Die Richter werden weiterhin von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ernannt. Zusätzlich werden gerichtliche Kammern als neuer Spruchkörper eingeführt. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen dem EuGH und EuG wurde neu geregelt.
Die Stimmengewichtung im Rat der Europäischen Union wurde geändert und der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten angepasst. Zugleich wurde die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit erheblich ausgeweitet und das Erfordernis von einstimmigen Beschlüssen eingeschränkt. In bestimmten Bereichen (direkte Steuern, soziale Sicherheit, Asyl, Visum und Aufenthalt) ist in vielem noch Einstimmigkeit erforderlich. Der Sanktionsmechanismus zum Schutz zentraler Grundsätze (Freiheit, Demokratie etc.) innerhalb der Mitgliedstaaten wurde angesichts der erfolgten Sanktionen gegen Österreich im Jahre 2000 ergänzt.
- Europäischer Verfassungsvertrag, Abk. VVE:
Der Vertrag über eine Verfassung für Europa sollte der Europäischen Union eine einheitliche Struktur und Rechtspersön lichkeit verleihen. Die bis dahin gültigen Grundlagenverträge (vor allem EU-, EG- und Euratom-Vertrag) sollten abgelöst werden und auch die formale Unterteilung in EU und EG sollte entfallen. Mit dem Verfassungsvertrag sollte die EU zusätzliche Kompetenzen erhalten; zudem beabsichtigte man, ihr institutionelles Gefüge zu ändern, um sie demokratischer und handlungsfähiger zu machen. Der Verfassungsvertrag erlangte jedoch keine Rechtskraft, da nicht alle Staaten den Vertrag ratifizierten.
2003 wurde der Entwurf eines EU- Verfassungsvertrags von einem Europäischen Konvent erarbeitet. Am 29. Oktober 2004 wurde dieser feierlich in Rom unterzeichnet. Ursprünglich sollte er am 1. November 2006 in Kraft treten. Zuvor war aber seine Ratifikation in allen - seinerzeit - 25 Mitgliedstaaten notwendig, entweder durch die dafür zuständigen nationalen Parlamente oder in Volksabstimmungen. DieserProzess scheiterte wegen der Ablehnung der EU- Verfassung bei Volksabstimmungen in Frankreich am 29. Mai 2005 und in den Niederlanden am 1. Juni 2005.
Die Staats- und Regierungschefs der EU riefen daraufhin eine Reflexionsphase aus. Auf dem Europäischen Rat vom 21. /22. Juni 2007 beschlossen sie schließlich, die eingangs genannten EU-Verträge lediglich zu verändern, statt sie durch eine Verfassung zu ersetzen. Mit dem Vertrag von Lissabon, der in allen Mitgliedstaaten außer Irland ohne Volksabstimmungen ratifiziert werden kann, soll ein Großteil der Inhalte des Verfassungsvertrages in die grundlegenden Verträge eingearbeitet werden - Vertrag von Lissabon:
Der Vertrag von Lissabon sollte der Europäischen Union eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit geben und den abgelehnten Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) ersetzen. Beim EU-Gipfel am 18. und 19. Oktober 2007 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf den endgültigen Vertragstext. Dieser wurde am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet. Der Vertrag sollte ursprünglich bis Ende 2008 durch alle Mitgliedstaaten ratifiziert sein, so dass er am 1. Januar 2009 hätte in Kraft treten können. Jedoch wurde der Reformvertrag von Irland am 12.Juni 2008 im Wege eines Referendums zurückgewiesen. Irland ist der einzige EU-Mitgliedstaat, in dem jegliche Änderung der EU-Verträge einer Abstimmung durch ein Referendum bedarf, während in den übrigen 26 EU-Mitgliedstaaten eine Ratifizierung des Vertrags allein durch eine (zustimmende) Abstimmung ihrer nationalen Parlamente erfolgt.




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