Fürsorgepflicht

Eine Nebenpflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern aus dem Arbeitsvertrag beziehungsweise des öffentlichen Dienstherrn gegenüber seinen Beamten aus dem Beamtenverhältnis. Sie bedeutet, daß der Arbeitgeber nicht nur alle sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Verpflichtungen (zum Beispiel Lohnzahlung, Gewährung von Urlaub) erfüllen muß, sondern sich darüber hinaus auch um das Wohl seiner Arbeitnehmer kümmern muß, indem er zum Beispiel Unfallverhütungsvorschriften befolgt und Vor- geht noch weiter: Sie beinhaltet zum Beispiel die Pflicht des Staates, für die Familie eines Beamten auch nach dessen Tod zu sorgen, ferner die Pflicht, den Beamten gegen ungerechtfertigte Angriffe zu schützen (zum Beispiel ihn bewachen zu lassen, wenn er bedroht wird, oder Strafprozesse wegen Beleidigung für ihn zu führen, wenn er in seiner dienstlichen Eigenschaft beleidigt wird).

(Arbeitsrecht), eine dem Arbeitgeber (AG) im Rahmen des arbeitsvertraglich begründeten Gemeinschaftsverhältnisses dem Arbeitnehmer (AN) gegenüber obliegende Pflicht als Gegenstück zu der dem AN auferlegten Treuepflicht. Insbes. hat der AG für Leben und Gesundheit des AN zu sorgen und ist zu diesem Zweck verpflichtet, die zur Dienstverrichtung zu beschaffenden Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften entsprechend einzurichten und zu unterhalten, §§ 617 f. BGB. Der AG muss im Rahmen der F. für das Eigentum des AN sorgen, die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzes beachten, sozialversicherungsrechtliche Pflichten erfüllen und eine genau abgerechnete Arbeitsvergütung bezahlen. Der AN hat gegen den AG einen Beschäftigungsanspruch. Bei gefahrgeneigter Arbeit kann die Haftung des AN aus dem Gesichtspunkt der F. eingeschränkt sein. Für den Beamten erwächst die F. des Dienstherrn in einen Rechtsanspruch auf Sorge für sein und seiner Familie Wohl, d. h. einen Anspruch auf wohlwollende und gerechte Behandlung, auf angemessene Gewährung von Rechtsschutz und Schutz gegen Gefahren und Angriffe sowie auf Beihilfe in Geburts-, Todes- und Krankheitsfällen.

Im Arbeitsrecht:

Der Arbeitsvertrag ist nach h. M. ein gegenseitiger Austauschvertrag, bei dem Arbeit gegen Entgelt geschuldet wird, in dem aber die wechselseitigen Nebenpflichten vielfach gesteigert sind. Er wurde deshalb gelegentlich als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis bezeichnet. Die Nebenpflichten des AN werden Treuepflichten, die des AG F. genannt. Diese begründen keine selbständigen sozialen Ansprüche zu seinen Gunsten (z. B. auf Gratifikationen o. Ruhegeld), sondern gestalten wie Treu u Glauben (§ 242 BGB) die geschuldete Leistung näher aus. Sie dürfen nicht überspannt werden u. hindern den AG nicht, seine Interessen mit gesetzl. zulässigen Mitteln wahrzunehmen, etwa Betr.-Rationalisierungen vorzunehmen, auch wenn dadurch Kündigungen notwendig werden, o. Kurzarbeit einzuführen, auch wenn damit Verdienstschmälerungen verbunden sind. In ausgeprägten Fällen hat sie ihren gesetzl. Niederschlag gefunden. So ist der AG nach der allgem. Fürsorgepflicht gehalten, für Leben u. Gesundheit des AN zu sorgen. Nach §§ 617, 618 BGB, 62 HGB, 120a GewO ist er verpflichtet, Räume, Vorrichtungen u. Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten u. zu unterhalten, dass der AN gegen Gefahren für Leben u. Gesundheit soweit geschützt ist, wie die Natur des Betr. u. der Arbeit es gestatten. Ferner hat er die Arbeitsleistungen so zu regeln, dass der AN in gleichem Umfang geschützt ist (Arbeitsschutz). Er hat die dem AN nach den UVV vorgeschriebenen Sicherheitseinrichtungen zur Verfügung zu stellen (AP 19 zu § 618 BGB = DB 86, 283); dazu gehören zB. Sicherheitsschuhe. Ist Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt, muss der AG sie auch reinigen lassen. Der AG hat das Persönlichkeitsrecht des AN zu wahren; der AG hat damit auf Glaubens- und Gewissensfreiheit Rücksicht zu nehmen (Derleder ArbuR 91, 193; Grabau BB 91, 1257) und auch akademische Grade seines AN zu respektieren (AP 5 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht = NJW 85, 222). In Fragen der sozialen Ordnung hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht (§ 87 BetrVG Betriebsratsaufgaben). Ist der AN in die häusl. Gemeinschaft aufgenommen, so hat der AG in Ansehung der Wohn- u. Schlafräume, der Verpflegung sowie der Arbeits- u. Erholungszeiten diejenigen Einrichtungen u. Anordnungen zu treffen, die mit Rücksicht auf die Gesundheit, Sittlichkeit u. Religion des AN erforderlich sind (§§ 618 II BGB, 62 11 HGB). Soweit der AG selbst o. durch einen Dritten seinen gewerblichen AN Gemeinschaftsunterkünfte überlässt, hat er dafür zu sorgen, dass sie so beschaffen, ausgestattet, belegt u. benutzt werden, dass die Gesundheit u. das sittliche Empfinden der AN nicht beeinträchtigt wird (§ 120c GewO). Bei dauernden Dienstverhältnissen hat er im Falle der Erkrankung für die Dauer von 6 Wochen für Verpflegung u. ärztl. Behandlung zu sorgen (§ 617I BGB). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der AN die Erkrankung selbst vorsätzlich o. grob fahrlässig herbeigeführt hat o. wenn für die Verpflegung u. ärztl. Behandlung durch öffentl. o. private Versicherung o. durch eine Einrichtung der öffentl. Krankenpflege Vorsorge getroffen ist (§ 617 BGB). Für Arbeitsunfälle gelten weitgehend Sonderregelungen. Der AG hat für das Eigentum des AN zu sorgen (eingebrachte Sachen) u. öffentl.rechtl. Arbcitnehmerschutzbestimmungen einzuhalten (Arbeitsschutz). Diese begründen zwar primär Verpflichtungen des AG gegenüber dem Staat, sind aber auch ihr Ausfluss u. ihre Konkretisierung. Aufgrund der F. ist der AG zur Beachtung der sozialversicherungsrechtl. Vorschriften, Abführung der Beiträge u. zur korrekten Zahlung der Arbeitsvergütung verpflichtet u. hat im Zw. Eine
genaue Abrechnung zu erteilen. Wird der Lohn unrichtig berechnet u. kommt es zu Überzahlungen, kann der AG bei Erhebung von Rückzahlungsansprüchen schadensersatzpflichtig werden, wenn der AN das Geld bereits ausgegeben hat. Der Schaden besteht jedoch nicht schon in der Rückzahlungsverpflichtung, sondern muss darüber hinausgehen. Gelegentlich wird aus der F. der Beschäftigungsanspruch des AN und die Haftungsbeschränkung bei gefahrgeneigter Arbeit abgeleitet, zumeist wird die Haftung des AN jedoch aus dem Betriebsrisikogedanken eingeschränkt. Aus der F. ergeben sich Hinweispflichten auf besondere Versorgungsmöglichkeiten im —5 Betrieb. Der AG muss über alle zusätzlichen Versorgungseinrichtungen des Betriebes unterrichten; dagegen trifft ihn keine Informationspflicht, welche Versorgung am zweckmässigsten ist. Informiert er insoweit, so muss dies richtig, umfassend u. vollständig sein. Auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den AN braucht er nicht auf besondere erwachsende Nachteile hinzuweisen; etwas anderes gilt nur dann, wenn er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen Gründen veranlasst (AP 5, 6 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst; AP 76 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; AP 6 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskasse = NZA 85, 712; AP 5 = NZA 85, 712; AP 12 = NZA 86, 360; AP 23 = NZA 89, 512; AP 28 = NZA 89, 442; AP 32 = NZA 92, 973; AP 24 zu § 1 Betr AVG = NZA 90, 971; Becker-Schaffner BB 93, 1281). Sie entfaltet ferner Rechtspflichten für den AG vor Begründung des Arbeitsverhältnisses (s Vorverhandlungen). So hat der AG den Bewerber auf besondere Anforderungen hinzuweisen; verlautbart der AG, die AN würden zu Zusatzversorgungseinrichtungen angemeldet, hat er auch den AN anzumelden, der die satzungsmässigen Voraussetzungen erfüllt (AP 34 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen = BB 92, 1860). Auch bei u. nach Beendigung desnrnensverhältnisses ergeben sich aus ihr Rechte des AN. U. U. kann sogar eine ao. Kündigung des Arbeitgebers zum Schadensersatz führen, wenn der AN das Arbeitsverhältnis schon rechtswirksam beendet hatte (AP 80, 82 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Jedoch ist, soweit eine —5 Kündigung mit der Kündigungsschutzklage angefochten werden kann, ein Rückgriff auf sie ausgeschlossen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der AG über den AN auf Verlangen an dritte AG Auskunft zu erteilen. Wenngleich die
Auskunft wie ein Zeugnis wahr sein muss, gilt aber im übrigen der allgemeine Grundsatz, dass der AG alles zu vermeiden hat, durch das der AN geschädigt werden könnte (AP 6, 80 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; AP 6 zu § 839 BGB). Schliesslich trifft den AG die Pflicht, einen Kunden namhaft zu machen, der wahrheitswidrig den AN
eines Diebstahls bezichtigt hat. Auch der Urlaub wurde aus dem
Fürsorgegedanken (AP 16 zu § 618 BGB) abgeleitet. Bei Verletzung der F. wird der AG schadensersatzpflichtig.

ist die Pflicht zur besonderen Berücksichtigung der Interessen einer anderen Person. Sie hat Bedeutung vor allem im Recht der Dienstleistungen. Im Dienstvertragsrecht (Arbeitsrecht) trifft sie den Dienstberechtigten (Arbeitgeber) (vgl. §§617, 618 BGB, sonst § 242 BGB), im Beamtenrecht den Dienstherrn (§ 48 BRRG). Auf ihr beruhen zahlreiche, von Wissenschaft und Rechtsprechung entwickelte Einzelpflichten (z.B. zur Verwahrung von Sachen des Dienstverpflichteten, zur Gewährung von Rechtsschutz). Die Verletzung bestimmter Fürsorgepflichten ist nach § 225 StGB strafbar. Im Prozess kann das Gericht auf Grund von Treu und Glauben eine F. haben (z. B. durch Hinweise und Fragen dahin zu wirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden). Lit.: Müller-Petzer, S., Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, 2003

, Beamtenrecht: Pflicht des Dienstherrn, für das Wohl des Beamten und seiner Familie, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen (§ 45 BeamtStG, § 78 BBG). Aufgrund der Fürsorgepflicht ist der Dienstherr gehalten, die Rechte und Rechtsgüter des Beamten zu schützen. Er muss die Interessen des Beamten bei Ermessensentscheidungen berücksichtigen (z. B. im Rahmen von Beförderungen und Umsetzungen). Die Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn auch, den Beamten zu informieren, zu beraten und anzuhören. Sie verbietet dem Dienstherrn, den Beamten durch Kritik an seiner Amtsführung gegenüber Dritten ohne rechtfertigenden Grund bloßzustellen. Aus der schuldhaften Verletzung der Fürsorgepflicht kann sich ein Schadensersatzanspruch ergeben.

ist im Rahmen des privatrechtlichen Arbeitsvertrags eine im Grundsatz auf § 242 BGB beruhende Pflicht des Arbeitgebers; sie entspricht der Treuepflicht des Arbeitnehmers. Sie wirkt auf den Inhalt aller Pflichten des Arbeitgebers und begründet eine Reihe von Einzelpflichten, insbes. die z. T. gesetzlich normierte F. für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers (§§ 617, 618 BGB, § 62 HGB); für - soweit zumutbar - geschützte Aufbewahrung von Eigentum des Arbeitnehmers, das er in den Betrieb mitbringt (Kleidung, Fahrzeuge usw.); zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorschriften des Arbeitsschutzes. Auf der F. beruht auch der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung. Die F. gibt dem Arbeitnehmer Ansprüche auf Erfüllung, auf Schadensersatz aber nur bei schuldhafter Verletzung (§§ 276, 278 BGB); über die Haftungsbeschränkung bei Betriebsunfällen s. aber §§ 104 ff. SGB VII.

Im Rahmen des Beamtenverhältnisses hat der Dienstherr für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen (§ 45 BeamtStG, § 78 BBG und Beamtengesetze der Länder; Beamtenrecht). Daraus erwächst ein Rechtsanspruch auf wohlwollende und gerechte Behandlung sowie auf angemessene Gewährung von Rechtsschutz und Schutz gegen Gefahren und Angriffe, ferner ein Rechtsanspruch auf Beihilfe in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfen für Beamte). Daneben kann den Beamten ausnahmsweise eine i. d. R. einmalige Unterstützung gewährt werden. Aus der F. ergibt sich jedoch nur in Ausnahmefällen Anspruch auf Beförderung (Beförderung von Beamten). S. ferner Soldatengesetz, Soldatenversorgungsgesetz usw.

Zur F. für Hilfsbedürftige Sozialhilfe.




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