Nutzungsherausgabe

, EBV: Obligatorischer Anspruch des Eigentümers gegen den unrechtmäßigen Besitzer auf Herausgabe gezogener Nutzungen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Da die §§ 987 ff. BGB auf dem Vindikationsanspruch des § 985 BGB aufbauende obligatorische Ansprüche enthalten, sind nur die Sachnutzungen, also die unmittelbaren und mittelbaren Sachfrüchte (§ 99 Abs. 1 und 2 BGB) und die Vorteile aus dem Sachgebrauch (§ 100 BGB) gemeint. Bei der Herausgabeverpflichtung unterscheidet das Gesetz wie folgt:
1. Der verklagte und der bösgläubige (§ 990 Abs. 1 BGB) Besitzer sind dem Eigentümer zur Nutzungsherausgabe nach § 987 BGB verpflichtet. Dies betrifft sowohl die tatsächlich gezogenen als auch die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen.
2. Der gutgläubige urverklagte unrechtmäßige Besitzer ist hingegen in folgenden Fällen zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet:
a) Nach § 988 BGB besteht die Herausgabepflicht, wenn er den Besitz unentgeltlich erlangt hat. Der zugrunde liegende Rechtsgedanke, dass der unentgeltliche Erwerb weniger schutzwürdig ist als der entgeltliche, findet sich bereits in den §§816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB. Nach dem Wortlaut des § 988 BGB ist an sich weitere Haftungsvoraussetzung, dass der Besitzer die Sache entweder als ihm gehörig, also als Eigenbesitzer (§ 872 BGB) erlangt oder— als Fremdbesitzer— zum Zwecke der Ausübung eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Nutzungsrechts „an der Sache” erlangt hat. Es ist jedoch anerkannt, dass es sich nicht um ein dingliches Nutzungsrecht handeln muss und auch ein vermeintlich schuldrechtliches Nutzungsrecht ausreicht.
Prüfungsschema § 988 BGB:
Eigenbesitz oder Fremdbesitz aufgrund vermeintlichen dinglichen oder schuldrechtlichen Nutzungsrechts
Unentgeltliche Besitzerlangung
— Gutgläubige Nutzungsziehung §§ 987, 990 BGB)
— „Nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung” (Rechtsfolgen-verweis auf die §§ 818 ff. BGB)
b) Umstritten ist, ob rechtsgrundlos erlangter Besitz dem unentgeltlichen gleichgestellt und § 988 BGB in diesen Fällen analog angewandt werden kann. Der BGH bejaht dies in ständiger Rechtsprechung und beruft sich dabei auf folgenden Fallvergleich:
Ist bei einer Veräußerung das Verpflichtungsgeschäft nichtig, die dingliche Einigung aber wirksam, liegt kein EBV vor mit der Folge, dass der Erwerber gern. §§812, 818 Abs. 1 BGB zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist. Anders ist dies dann, wenn auch das dingliche Geschäft nichtig ist und ein EBV vorliegt, welches die Anwendung der §§ 812ff. BGB sperrt.
Die überwiegende Literatur erblickt hierin ebenfalls einen Wertungswiderspruch, vermeidet diesen jedoch durch eine Aufweichung der Sperrwirkung des EBV und wendet die §§ 812, 818 BGB in derartigen Fällen neben den §§ 987 ff. BGB an. Da auch § 988 BGB für den Umfang der Haftung auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts verweist, hat der Streit kaum praktische Bedeutung. Er wirkt sich insbesondere dann aus, wenn ein nur nach Auffassung der Literatur zu prüfender Ausschlusstatbestand der §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB eingreift oder wenn der redliche Besitzer die Sache von einem Dritten erhalten hat.
Beispiel: Der redliche Besitzer B hat eine bewegliche Sache des E vom Dieb D gekauft. B ficht den Kaufvertrag erfolgreich an, sodass dieser (§ 142 Abs. 1 BGB) ebenso wie die übereignung (§ 935 BGB) unwirksam ist. Nach der Rspr. hat E gegen B einen Anspruch aus § 988 BGB analog. Die h.L. lehnt diese Analogie und auch einen Anspruch des E gegen aus § 812 BGB ab, da eine Leistung des D an B vorliegt; E kann sich nur an D halten.
c) Nach § 993 Abs. 1, 1. Hs. BGB ist der redliche Besitzer ferner zur Herausgabe gezogener Früchte verpflichtet, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind (sog. Übermaßfrüchte). Hinsichtlich des Haftungsumfanges wird auch hier im Wege eines Rechtsfolgenverweises auf das Bereicherungsrecht verwiesen, sodass dem Besitzer insbesondere der Entreicherungseinwand gem. § 818 Abs. 3 BGB zugute kommt.
3. Der deliktische Besitzer ist dem Eigentümer nach den §§ 992, 823 ff. BGB zur Nutzungsersatz verpflichtet. Da der pönale Besitzerwerb des § 992 BGB nicht besser gestellt werden soll als der gutgläubige unentgeltliche nach § 988 BGB, muss der deliktsche Besitzer nach h.M. — trotz fehlenden Schadens — auch solche Nutzungen herausgeben, die der Eigentümer selbst nicht gezogen hätte.

Eigentumsherausgabeanspruch.




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