Zustandsstörer

Polizeipflicht des Inhabers der tatsächlichen Gewalt über eine Sache, des Eigentümers einer Sache oder des Berechtigten an einer Sache, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet. § 5 MEPo1G unterscheidet diese drei Personengruppen und verlangt nicht etwa kumulativ die Sachherrschaft und die Eigentümerstellung, um eine Verantwortlichkeit zu begründen. Das verdeutlicht § 5 Abs. 2 MEPo1G, nach dem Maßnahmen auch gegen den Eigentümer gerichtet werden können.
Die Zustandshaftung ist Ausfluss der rechtlichen und tatsächlichen Sachherrschaft, die wirtschaftliche Vorteile gewährt, aber aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums Lasten begründet, die in der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache beruhen.
Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens ausübt, wobei es auf die rechtliche Grundlage dieses Herrschaftsverhältnisses nicht ankommt. Sowohl der unrechtmäßige Besitzer, etwa ein Dieb, als auch der berechtigte Besitzer, wie Mieter, Pächter, Verwahrer, Besitzer und Besitzdiener, können herangezogen werden. Der mittelbare Besitz gemäß § 868 BGB genügt indes nicht.
Eigentümer ist, wer im Zeitpunkt ordnungsbehördlichen Einschreitens sachenrechtlich das Eigentum an der Sache innehat, also auch der Sicherungs- und der Vorbehaltseigentümer, daneben aber auch der aufgrund eines Eigentumsvorbehalts Anwartschaftsberechtigte, da das Anwartschaftsrecht ein wesensgleiches Minus zum Eigentum ist und dadurch eine wesensgleiche Verantwortlichkeit begründet. Miteigentümer sind jeweils verpflichtet und können damit einzeln voll in die Polizeipflicht genommen werden. Das Miteigentum kann es einem Miteigentümer allenfalls rechtlich unmöglich machen, den polizeiwidrigen Zustand zu beseitigen, was aber keinen Einfluss auf die Polizeipflicht hat, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis begründet, sofern gegenüber dem anderen Miteigentümer keine Duldungsverfügung ergangen ist.
Die Haftung des Eigentümers soll der Haftung des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft nachfolgen, wenn sie im Einzelfall auseinanderfallen, was aufgrund der isolierten Übertragung von Besitzrechten nach dem BGB möglich ist. Das gibt §5 Abs. 2 MEPoIG vor, der an erster Stelle in §5 Abs. 1 den Inhaber der Sachherrschaft als Pflichtigen heranzieht. Dieser Vorrang ist Ausfluss der Effektivität der Gefahrenabwehr, da in erster Linie der Inhaber der Sachherrschaft ermittelt werden und auf die Sache gefahrvermeidend einwirken kann, während die Aufklärung der Eigentumsverhältnisse insb..an beweglichen Sachen bisweilen schwierig sein kann und damit ein effektives Einschreiten der Behörden verhindern könnte.
Die nach §§ 928, 959 BGB mögliche Aufgabe des Eigentums, wenn der Eigentümer, in der Absicht, auf das Eigentum an der Sache zu verzichten, den Besitz aufgibt (Dereliktion), die zur Herrenlosigkeit einer Sache führt, kann den ehemaligen Eigentümer nicht von seiner Polizeipflicht befreien. § 5 Abs. 3 MEPolG regelt diesen Fall und lässt Maßnahmen gegen denjenigen zu, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.
Dein Eigentümer steht ein sonstiger Berechtigter gleich. Berechtigter ist jeder, der neben dem Eigentümer rachenrechtlich berechtigt ist, auf den störenden Gegenstand einzuwirken. Berechtigte sind etwa der Erbbauberechtigte oder der Nutznießer. Lediglich schuldrechtliche Berechtigungen, wie Miete oder Pacht, führen nicht zu einer mit dem Eigentum gleichgestellten Berechtigung, die eine Zustandspflicht begründen, können aber die vom Eigentum losgelöste Sachherrschaft herbeiführen, die auch ohne Eigentum zur Zustandspflicht führt.
Die Gefahr kann von der Beschaffenheit der Sache selbst ausgehen, sie kann aber auch wegen ihrer Lage im Raum, also ihrer Beziehung zur Umwelt, bestehen. Sie muss aber durch den Eigentümer, den Herrschaftsinhaber oder sonstigen Berechtigten zurechenbar hervorgerufen worden sein. Dabei greifen die allgemeinen Zurechnungsgedanken der Polizeipflicht, da der Zustandspflicht der Verursachungsgedanke immanent ist. Denn der Zustand der Sache selbst stellt nicht die Gefahr dar, die Gefahr muss vielmehr, was §5 Abs. 1 MEPo1G klarstellt, von der Sache ausgehen, also verursacht worden sein. Verursachen daher Dritte durch Missbrauch der Sache eine Gefahr und ist dieser Missbrauch nicht unmittelbar auf den verursachten Zustand der Sache zurückzuführen, sondern lediglich mittelbar in der Sache begründet, entsteht keine Polizeipflicht des Eigentümers oder Herrschaftsinhabers. Um eM Problem der Zurechnung geht es auch in den Fällen latenter Gefahren, die in dem Zustand einer
Sache angelegt sind, aber erst durch ein nicht missbräuchliches Verhalten Dritter aktualisiert werden.
Für die Annahme der Zustandspflicht ist maßgeblich, ob der latenten Gefahr eine erhöhte Gefahrentendenz innewohnt. Das soll etwa für herannahende Bebauung an einen bestandskräftig genehmigten, stark emittierenden Schweinemastbetrieb im allgemeinen Wohngebiet gelten. In diesen Fällen hat der Eigentümer der Anlage die Gefahr verursacht, ihn schützt zwar der passive Bestandsschutz, er ist aber (latenter) Störer für die herannahende Bebauung und muss daher Ordnungsmaßnahmen hinnehmen.
Nicht verantwortlich ist indes der Betreiber einer Tankstelle, vor der es aufgrund zunehmenden Verkehrs und des engen Grundstücks vermehrt zu Unfällen kommt. Es fehlt an einer erforderlichen erhöhten Gefahrentendenz. Vorschriften des Sonderordnungsrechts lösen dieses Problem inzwischen unabhängig von der Störereigenschaft, indem sie Maßnahmen zulassen, um neu auftretende Konfliktlagen zu lösen, so etwa in den §§17, 22, 23 BlmschG.
Grenzen der Zustandspflicht: Die Zustandsverantwortlichkeit tritt unabhängig von der Rechtswidrigkeit und vom Verschulden ein, sodass auch Gefahrenlagen erfasst werden, die durch Natureinwirkungen entstehen. Eine Verantwortlichkeit entfällt indes nach den Polizeigesetzen der Länder für den Eigentümer, wenn der Inhaber tatsächlicher Gewalt über die Sache die Gewalt ohne den Willen des Eigentümers ausübt. Dabei handelt es sich um einen Fall rechtlicher Unmöglichkeit.
Eine allgemeine Grenze der Zustandspflicht wegen des grundrechtlichen Schutzes des Eigentums in Art. 14 GG und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gibt es indes entgegen teilweise vertretener Auffassung nicht. Grobe Unbilligkeiten können bei der Störerauswahl (Polizeipflicht) oder der Kostentragungspflicht (Sekundärebene) ausgeglichen werden. Für den besonderen Fall der Altlastenhaftung hat der Gesetzgeber besondere Regelungen im BBod SchG (Bodenschutzrecht) über die Zustandshaftung früherer Eigentümer geschaffen und dadurch eine differenzierte Auswahl der in Anspruch zu nehmenden Störer ermöglicht und der Behörde ein weites Auswahlermessen eingeräumt. Weiterhin besteht zwischen mehreren Störern ein Ausgleichsanspruch. Etwaige Härten sind auch hier nach der Rechtsprechung des BVerfG auf der Kostenebene (Sekundärebene) zu berücksichtigen und bemessen sich in besonderen Fällen nach dem Verkehrswert des Grundstücks (Altlast).




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