Aussagefreiheit

Aus dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare abgeleitetes Entscheidungsrecht des Beschuldigten, sich zur Beschuldigung zu äußern oder sich nicht zur Sache einzulassen (Schweigerecht). Im Ermittlungsverfahren (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO, ggf. i.V. m. § 163a Abs. 4 S.2 StPO) und in der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 4 S.1 StPO) besteht vor der Beschuldigtenvernehmung eine entsprechende Belehrungspflicht. Die fehlende oder die aufgrund seines geistigen oder körperlichen Zustandes für den Beschuldigten nicht verständliche Belehrung führt grundsätzlich zu einem Beweisverwertungsverbot (BGHSt 38, 214). Dieses entfällt nur, wenn der Beschuldigte seine Aussagefreiheit auch ohne Belehrung — etwa aus früheren Verfahren — kannte oder wenn der verteidigte bzw. vom Gericht unterrichtete unverteidigte Angeklagte bis zum Zeitpunkt des § 257 StPO in der Hauptverhandlung der ersten Instanz nicht ausdrücklich der Verwertung widersprochen hat (BGHSt 39, 349). Verwertet werden kann die Aussage ferner im Prozess gegen einen Dritten, in dem der fehlerhaft nicht belehrte ausschließlich Zeuge ist (str.), ebenso die Aussage eines nicht belehrten Mitbeschuldigten (str.). Bedeutung für die Beweiswürdigung: Verweigert der Angeklagte in der Hauptverhandlung in vollem Umfang die Aussage, dürfen daraus keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden (BGHSt 38, 305); Gleiches gilt für die sonstige Wahrnehmung prozessualer Rechte (BGHSt 45, 367). Dagegen darf Schweigen des Beschuldigten zu einzelnen Punkten nach Rspr. und h. M. als Indiz gegen ihn verwertet werden (sog. Teilschweigen), da sich der Beschuldigte in diesem Fall in freiem Entschluss selbst zu einem Beweismittel macht und sich damit der freien Beweiswürdigung unterstellt (BGHSt 20, 298, 300). Die nachteilige Schlussfolgerung ist jedoch nur dann berechtigt, wenn nach den Umständen Äußerungen zu diesem Punkt zu erwarten gewesen waren, andere Möglichkeiten des Verschweigen ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich fragmentarischer Natur sind (BGH NJW 2002, 2260). Zeugen sind grundsätzlich zur Aussage verpflichtet, sofern kein Zeugnisverweigerungsrecht oder Auskunftsverweigerungsrecht eingreift. Ausprägung ihrer Selbstbelastungsfreiheit ist das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO.




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