nullum crimen (nulla poena) sine lege
Nach § 1 StGB kann eine Tat nur mit Strafe geahndet werden, wenn ihre
Strafbarkeit vor der Begehung gesetzlich bestimmt war (
nullum crimen sine lege); nach § 2 I StGB kann aber auch bei Festsetzung der Strafe nur ein zur Tatzeit geltendes Gesetz angewendet werden (
nulla poena sine lege). Diese Grundsätze gelten nach §§ 3, 4 OWiG auch für
Ordnungswidrigkeiten. Der erstgenannte
Rechtssatz ist bereits in Art. 103 II GG ausdrücklich ausgesprochen. Unzulässig sind die rückwirkende Anwendung des
Strafgesetzes sowie die
Rechtsanalogie zuungunsten des Beschuldigten (Analogie), im Gegensatz zur
Auslegung, die auch zu seinen Ungunsten möglich ist. Als Gesetz ist auch eine gesetzesvertretende, auf
Ermächtigung beruhende
Rechtsverordnung anzusehen, nicht dagegen
Gewohnheitsrecht (Recht); allgemeine
Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des
Bundesrechts (Art. 25 GG).
Tatbestand und Strafdrohung müssen so bestimmt sein, dass die Tatmerkmale und der
Strafrahmen keiner willkürlichen
Auslegung oder dem freien Ermessen des Richters zugänglich sind; doch sind relativ
unbestimmte Strafen nicht unzulässig (weite
Strafrahmen). Ob das
Rückwirkungsverbot eingreift, entscheidet sich nach dem letzten Zeitpunkt der Tat; maßgebend ist der Abschluss der
Tathandlung, beim
Dauerdelikt also der letzte Teilakt, nicht der Eintritt des Erfolgs (§ 8 StGB; das Opfer stirbt lange Zeit nach der Tat). Bei Gesetzesänderungen zwischen Tatzeit und Aburteilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden (§ 2 III StGB). Welches das mildere ist, kann zweifelhaft sein. Maßgebend ist, welche Bestimmung im Einzelfall die mildeste
Verurteilung nach
Tatbestand und Strafdrohung zulässt (konkrete
Betrachtungsweise). Auch blankettausfüllende Normen (
Blankettgesetz), z. B. die StVO, sind zu berücksichtigen.
Ausnahmen gelten: a) für
Zeitgesetze, d. h. solche, die ihrem Inhalt nach nur für bestimmte Zeit erlassen sind; sie sind auf die in diese Zeit fallenden Taten auch nach Außerkrafttreten des Gesetzes anzuwenden (§ 2 IV StGB), und b) für die
Maßregeln der Besserung und Sicherung, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 2 VI StGB); die
Entscheidung über diese richtet sich nach dem bei Urteilsfällung geltenden Gesetz, weil sie als vorbeugende
Maßregeln in die Zukunft gerichtet sind.
([lat.] kein
Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz) ist der die Grundlage des rechtsstaatlichen
Strafrechts bildende Grundsatz. Im
Rechtsstaat kann eine Tat - auf Grund eines bestimmten Gesetzes - nur bestraft werden, wenn die
Strafbarkeit und die Strafhöhe - durch dieses bestimmte Gesetz - gesetzlich festgesetzt waren, bevor die Tat begangen wurde (Art. 103 II GG, § 1 StGB). Hieraus folgen im
Strafrecht der
Bestimmtheitsgrundsatz, das grundsätzliche
Rückwirkungsverbot und das
Analogieverbot. Lit.: Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983
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