Recht zum Besitz

Siehe auch: Besitzrecht

, Abk. RzB: Recht des Besitzers, dem Eigentümer gegenüber die Herausgabe zu verweigern. Auch wenn die Voraussetzungen des Vindikationsanspruchs aus § 985 BGB vorliegen, ist der Herausgabeanspruch ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Eigentümer gegenüber ein RzB gem. § 986 BGB hat. Trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts („kann . verweigern”) enthält § 986 BGB nach nahezu einhelliger Auffassung keine Einrede, sondern — der amtlichen Überschrift entsprechend — eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung. Begrifflich ist zwischen dem eigenen RzB (§ 986 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB) und dem abgeleiteten RzB (§ 986 Abs. 1 5. 1, 2. Var.) zu unterscheiden:
Ein eigenes Besitzrecht kann sich entweder aus einem dinglichen Recht an der Sache (z. B. Pfandrecht, Nießbrauch) oder aus einem schuldrechtlichen Vertrag mit dein Eigentümer (z. B. Miet- oder Pachtvertrag) ergeben. Auch ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung des Eigentums an der Sache (z. B. aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB) gewährt dem Besitzer ein RzB. Ein eigenes Besitzrecht besteht analog § 185 Abs. 2, 1. Var. BGB auch dann, wenn der Besitzer den Besitz von einem nicht berechtigten Dritten mit Genehmigung des Eigentümers erlangt hat. Ein eigenes Besitzrecht kann sich ferner aus privatrechtlichen (z. B. Besitzrecht der Eltern aus § 1626 BGB am Kindesvermögen) und aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften (z. B. Besitzrecht der Polizei an einem verkehrswidrig geparkten Fahrzeug während des Abschleppvorgangs) ergeben.
Umstritten ist, ob auch ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB oder § 1000 BGB ein RzB begründet. Die Rechtsprechung bejaht dies insbesondere im Falle des § 1000 BGB mit der Folge, dass eine Vindikationslage an sich wegfallen und die §§ 987 ff. BGB unanwendbar sein müssten. Dieses nicht gewollte Ergebnis vermeidet die Rechtsprechung durch eine analoge Anwendung der §§ 987 ff. BGB und den Hinweis, dass das Zurückbehaltungsrecht lediglich zu einer Verurteilung Zug um Zug führe. Gerade dies nimmt die herrschende Lehre zum Anlass, in einem Zurückbehaltungsrecht ein selbständiges Gegenrecht zu sehen, das alleine die Durchsetzbarkeit des Anspruchs betrifft. Ebenfalls unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob das Anwartschaftsrecht ein dingliches, d. h. gegenüber jedermann wirkendes RzB gibt. Da ein RzB in Fällen einer bedingten Übereignung regelmäßig schon aus dein zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft (z. B. Kauf unter —) Eigentumsvorbehalt) folgt, ist die Bedeutung des Streits verhältnismäßig gering. Relevant wird die Frage nach der Existenz eines solchen dinglichen RzB insbesondere beim gutgläubigen Erwerb des Anwartschaftsrechts vom Nichteigentümer. Die Rechtsprechung gewährt dem Anwartschaftsberechtigten in diesen Fällen gegenüber der Herausgabeklage des Eigentümers eine Einrede aus § 242 BGB („dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est”), da der Eigentümer die Sache alsbald (nach Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht Eigentum) wieder herausgeben müsste. Die herrschende Lehre bejaht hingegen ein dingliches Besitzrecht und begründet dies insbesondere damit, dass das Anwartschaftsrecht andernfalls keine Nutzungsberechtigung gewähren würde.
Ein vom mittelbaren Besitzer abgeleitetes Besitzrecht gem.§ 986 Abs. 1 S.1, 2. Var. BGB steht dem unmittelbaren Besitzer unter drei Voraussetzungen zu:
— Der unmittelbare Besitzer muss einem Dritten gegenüber, der nicht Eigentümer ist, zum Besitz berechtigt sein.
— Der Dritte, von dem der unmittelbare Besitzer sein Besitzrecht ableitet, muss dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt sein.
— Der Dritte muss dem Eigentümer gegenüber zur Weitergabe des Besitzes befugt sein.
Beispiel: Eigentümer V vermietet eine Wohnung an den Mieter M. M vermietet die Wohnung an U unter. U steht gegenüber V kein abgeleitetes RzB an der Wohnung zu, wenn M zur Untervermietung nicht berechtigt ist. Das Gleiche gilt, wenn der Hauptmietvertrag nicht zustande gekommen oder wirksam beendet worden ist. Ein abgeleitetes Besitzrecht des U setzt also eine befugte Untervermietung voraus.
Über den Wortlaut des § 986 Abs. 1 S. 1, 2. Var. BGB („mittelbarer Besitzer”) hinaus kann das Besitzrecht nach der Rechtsprechung auch von einem solchen Besitzvorgänger abgeleitet werden, der nicht mittelbarer Besitzer war.
Beispiel: Eine bewegliche Sache wird zunächst vom Eigentümer E an den K und anschließend von K an den Dritten D verkauft und — ohne Übereignung — übergeben. In diesem Fall hat D ein von K abgeleitetes RzB gegenüber E.
§ 986 Abs. 2 BGB ordnet schließlich an, dass der Besitzer einer nach §931 BGB durch Abtretung des Herausgabeanspruchs veräußerten Sache dem neuen Eigentümer die ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehenden Einwendungen entgegensetzen kann. Durch diese Erstreckung von Einwendungen gegenüber dem Rechtsnachfolger soll eine Verschlechterung der Position des Besitzers durch die von ihm nicht zu beeinflussende Eigentumsübertragung verhindert werden. Dieser Rechtsgedanke findet sich bereits in den §§ 404, 406 ff. BGB. Nach einhelliger Auffassung findet die Vorschrift des § 986 BGB über ihren Wortlaut hinaus nicht nur im Falle des § 931 BGB, sondern wegen der identischen Interessenlage auch im Falle einer Veräußerung nach § 930 BGB (analoge) Anwendung.




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