Versäumnisurteil

Im Zivilprozeß muß eine Partei zu einer mündlichen Verhandlung erscheinen beziehungsweise, wenn Anwaltszwang besteht, sich durch einen bei dem Gericht, vor dem die Verhandlung stattfindet, zugelassenen Rechtsanwalt darin vertreten lassen. Tut sie das nicht, kann die andere Partei den Erlaß eines Versäumnisurteils gegen die nicht erschienene oder nicht vertretene Partei beantragen. Bei einem solchen wird der gesamte Vortrag der erscheinenden Partei als zutreffend unterstellt, aller bisherige Vortrag der nicht erschienenen oder vertretenen Partei bleibt dagegen unberücksichtigt. Rechtfertigt der Vortrag der erschienenen Partei ihren Antrag, so wird ein entsprechendes Versäumnisurteil verkündet, das in abgekürzter Form (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) hergestellt wird. Aus dem Versäumnisurteil kann die Zwangsvollstreckung gegen die nicht erschienene oder vertretene Partei betrieben werden. Sie hat die Möglichkeit, binnen zweier Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils an sie dagegen Einspruch einzulegen, was bei einem Versäumnisurteil eines Landgerichts aber nur durch einen Rechtsanwalt wirksam geschehen kann. Dann wird das Verfahren fortgesetzt.

ergeht unter den Voraussetzungen der §§ 330 ff. ZPO, wenn eine Partei nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint, nicht verhandelt (§ 333 ZPO) oder wegen § 78 I ZPO nicht postulationsfähig ist und damit mangels anwaltlicher Vertretung nicht verhandeln kann (Säumnis). Zu unterscheiden ist zwischen der Säumnis des Klägers und der des Beklagten. Säumnis des Beklagten führt zu einer Geständnisfiktion, §331 I S.1 ZPO: Das tatsächliche Klägervorbrigen gilt als zugestanden. Ein V. ergeht aber nur auf Antrag des Klägers. Außerdem muß die Klage zulässig (Prozeßvoraussetzungen sind von Amts wegen zu prüfen) und schlüssig sein, § 331 II ZPO. Schlüssigkeit liegt dann vor, wenn die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen den Schluß auf die von ihm begehrte Rechtsfolge aus dem Klageantrag zulassen.

Daran fehlt es beispielsweise dann, wenn der Kläger selbst vorträgt, der Beklagte habe sich außerhalb des Prozesses auf Verjährung berufen, sog. inkorporiertes Vorbringen. Da die Einrede der Verjährung nicht notwendigerweise im Prozeß erhoben werden muß, muß das Gericht die Klage abweisen, wenn es zu dem Ergebnis kommt, daß die Einrede der Verjährung durchgreift. Säumnis des Klägers entfaltet dagegen eine Unbegründetheitsfiktion, § 330 ZPO. Ein V. ergeht, wenn der Beklagte dies beantragt und die Klage zulässig ist. Bei diesbezüglichen Zweifeln trägt also ausnahmsweise der Beklagte die Beweislast für das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen.

Unter den Voraussetzungen des § 335 I ZPO darf ein V. allerdings nicht ergehen, wobei die Beklag-tenschutzvorschrift des § 335 I Nr.3 ZPO nicht im Fall des § 330 ZPO gilt. Ein weiteres Erlaßhindernis stellt § 337 ZPO dar, v. a. im Fall des unverschuldeten Fernbleibens einer Partei. In der Praxis wird i.d.R. aber dennoch nicht vertagt, da das Gericht ja gerade nicht weiß, daß das Ausbleiben unverschuldet ist. Die §§ 330 ff. ZPO regeln das sog. echte V. Hierunter versteht man das Urteil, das wegen der Säumnis gegen den Säumigen ergeht. Daneben hat sich der irreführende Begriff des unechten V. eingebürgert. Hierbei handelt es sich um ein normales streitiges Endurteil, das mit der Berufung nach §511 ZPO angegriffen werden kann. Zwar ist eine der Parteien nicht erschienen, aber die Säumnis hat sich quasi nicht ausgewirkt: Die Klage wird mangels Zulässigkeit oder Schlüssigkeit durch Prozeßurteil bzw. Sachurteil abgewiesen. Das Urteil ergeht eben nicht wegen der Säumnis, sondern nur bei dessen Gelegenheit.

Gegen ein echtes VU steht der säumigen Partei der Rechtsbehelf des Einspruchs, § 338 ZPO, innerhalb einer zweiwöchigen Frist, § 339 ZPO, zu. Diese Frist ist eine Notfrist, so daß bei ihrer Versäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §§ 233 ff. ZPO möglich ist.

Das Gericht muß beim Einspruch von Amts wegen nur prüfen, ob dieser statthaft ist und form- und fristgerecht eingelegt wurde, § 341 I ZPO. Ein zulässiger Einspruch versetzt den Prozeß in die Lage zurück, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand, § 342 ZPO. Er wirkt daher wie eine „Zeitmaschine“.

Im Prüfungsaufbau eines Urteils bedeutet dies, daß sie vor der Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage immer und zwingend die Zulässigkeit des Einspruches prüfen müssen.

Ob das vorhergehende VU selbst gesetzmäßig erlassen wurde, hat insoweit keine Bewandtnis. Dies wird wegen § 344 ZPO erst in der Kostenentscheidung relevant.

ergeht gegen den in mündlicher Verhandlung vor dem Zivilgericht ausgebliebenen oder nicht verhandelnden Kläger oder Beklagten. Erscheint oder verhandelt der Kläger nicht, so wird auf Antrag des Beklagten die Klage abgewiesen. Beantragt der Kläger gegen den nicht erschienenen Beklagten V., so wird sein tatsächliches mündliches Vorbringen als zugestanden angesehen und, soweit es den Klageantrag rechtfertigt, nach Antrag erkannt. Erhebt der so Verurteilte innerhalb der Einspruchsfrist, die 2 Wochen ab Zustellung des V.s beträgt, schriftlich Einspruch, so wird der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor dem Erlass des V.s befunden hat. Das V. bleibt aber, obwohl der Prozess weitergeht, bestehen. Es wird in dem neuen Urteil entweder bestätigt oder aufgehoben und durch eine andere Entscheidung ersetzt. §§ 330ff. ZPO. Siehe auch: Mahnverfahren, Streiturteil.

ist ein Urteil, das im Zivilprozess (§§ 330ff. ZPO) gegen die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene oder dort nicht verhandelnde (säumige) Partei auf Antrag des erschienenen Gegners erlassen wird. Ein V. ergeht nur, wenn die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind (andernfalls wird die Klage durch sog. unechtes V. abgewiesen). Für ein V. gegen den Beklagten ist überdies erforderlich, dass die Klage schlüssig, d.h. nach dem als richtig unterstellten tatsächlichen Vorbringen des Klägers begründet ist. Das V. kann mit dem Einspruch angefochten werden, durch den der Prozess in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Bei erneuter Säumnis wird der Einspruch durch ein zweites V. verworfen, gegen das nur noch Berufung mit der Behauptung, der Fall der Säumnis habe nicht Vorgelegen, erhoben werden kann. Die erschienene Partei kann statt des V. auch eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragen. Sind beide Parteien säumig, kann das Gericht von sich aus nach Lage der Akten entscheiden, sofern in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist.

Im Arbeitsrecht:

Erscheint in einer Güte- o. streitigen Verhandlung eine Partei nicht, so wird im Wege des VU auf Antrag des Beklagten die Klage abgewiesen (§ 330 ZPO); auf Antrag des Klägers wird sie nur zugesprochen, wenn sein tatsächl. mündl. Vorbringen, das wegen der Säumnis des Bekl. als zugestanden gilt (§ 331 ZPO), die Kl. rechtfertigt (§ 331 II ZPO; Schlüssigkeitsprüfung). Lediglich Vorbringen zum Erfüllungsort o. zu einer Gerichtsstandsvereinbarung bedarf auch dann des Beweises. Bereits aus einem VU ist kraft Gesetzes die Zwangsvollstreckung zulässig. -.s Urteile des BAG müssen für vorläufig vollstreckbar erklärt werden (AP 6 zu § 522a ZPO). Die Klage wird als unbegründet abgewiesen, wenn sie nicht schlüssig ist. Hierzu ist auch der Vorsitzende allein befugt (§ 55 I Nr. 4 ArbGG). Der Antrag auf Erlass eines VU ist u. a. zurückzuweisen, wenn die säumige Partei nicht ordnungsgemäss geladen o. ihr ein tatsächliches mündl. Vorbringen nicht rechtzeitig zugeleitet worden ist (§ 335 ZPO). Die Entscheidung über den Antrag auf Erlass des VU ist zu vertagen, wenn die Einlassungsfrist zu kurz bemessen (gilt nur bei Auslandszustellung) o. die Part. ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist (§ 337 ZPO). Ein vorheriger, auch unbeschiedener Vertagungsantrag zwingt das Gericht nicht zur Vertagung (AP 2 zu § 337 ZPO). Eine Vertagung ist nur aus den Gründen des § 227 ZPO zulässig. Hierzu gehören auch berechtigte Urlaubsplanungen einer Partei (BVerwG AP 1 zu § 227 ZPO). Gegen den das VU verweigernden Beschluss ist sofortige.— Beschwerde gegeben (§ 336 ZPO). Ergeht das VU, so steht dem Säumigen binnen einer Notfrist von einer Woche seit Zustellung der Einspruch zu (§ 59 S. 1 ArbGG). Hierauf wird er zugleich mit Zustellung des VU hingewiesen (§ 59 S. 3 ArbGG). Der Einspruch wird beim Arbeitsgericht schriftl. o. zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt (§ 59 ArbGG); dies auch dann, wenn das VU auf einem Gerichtstag ergangen ist. Die Einspruchsschrift hat die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspr. gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass Einspr. eingelegt wird, zu enthalten (§ 340 ZPO); zulässig ist, den Einspruch auf einen Teil des Streitgegenstandes zu beschränken (§ 340 II 2 ZPO). Im Interesse der Beschleunigung hat die Partei in der Einspruchsschrift ihre Angriffs- u. Verteidigungsmittel, soweit es nach der Prozesslage einer sorgfältigen u. auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht, sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen (§ 340 III ZPO). Werden die Einwendungen nicht vorgebracht, so ist zwar der Einspruch zulässig; der Einsprechende kann indes mit seinem Vorbringen ausgeschlossen werden. Dies gilt auch für einen Vortrag, der Säumige fechte das Rechtsgeschäft nach § 123 BGB an (AP 3 zu § 340 ZPO = BB 84, 345). Ein Einspruch ist i. d. R. noch nicht in einer Entschuldigung wegen Terminsversäumung zu sehen (AP 2 zu § 340 ZPO). Jedoch dann, wenn eindeutig zu erkennen ist, dass die Partei es nicht bei dem VU bewenden lassen will. Wird die Einspruchsfrist versäumt, so kann unter weiteren Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Das Gericht stellt den Einspruch der Gegenpartei zu (§ 340a ZPO). Es prüft, ob der Einspruch an sich statthaft u. ob er in der richtigen Form und Frist eingelegt ist. Fehlt es an einer der Voraussetzungen, so kann das Gericht entweder mündliche Verhandlung anberaumen u. den Ein-
spruch im Wege des Urteils als unzulässig verwerfen, gegen das
unter den allgemeinen Voraussetzungen das Rechtsmittel der Berufung zulässig ist. Es kann aber auch ohne mündliche Verhandlung
durch den Vorsitzenden allein (§ 53 ArbGG) den Einspruch durch Beschluss als unzulässig verwerfen. Dieser unterliegt der sofortigen Beschwerde, sofern unter den gleichen Voraussetzungen ein Urteil mit der Berufung anfechtbar wäre (§ 341 ZPO). Gegen den Beschluss des LAG ist die weitere Beschwerde nach § 568a ZPO, § 7811 ArbGG an das BAG gegeben. Ist dagegen der Einspruch zulässig, ist in jedem Fall Termin zur streitigen Verhandlung anzuberaumen. Die Sache wird in den vorherigen Stand zurückversetzt. Erscheint die säumige Partei wiederum nicht, wird der Einspruch verworfen (§ 345 ZPO). Etwas anderes gilt dann, wenn das 1. VU auf eine unschlüssige Klage unter Verletzung von § 33111 ZPO ergangen ist (AP 3, 4 zu § 345 ZPO). Gegen ein 2. VU findet die-- Berufung nur unter den allgemeinen Voraussetzungen statt (AP 13 zu § 64 ArbGG 1979 = NZA 89, 693). Ergibt die weitere Sachprüfung, dass das VU zu Recht ergangen ist, wird es durch Urteil aufrechterhalten; andernfalls wird es aufgehoben und anderweitig erkannt (§ 343 ZPO). Ist es in gesetzl. Weise ergangen, so trägt die säumige Partei stets die durch die Säumnis erwachsenen Kosten (§ 344 ZPO). Schaub, Beck-Rechtsinformationen Arbeitsgerichtsverfahren, 5. Aufl., 1992.

(§§ 330 ff. ZPO) ist das bei — Säumnis einer —Partei auf — Antrag des Gegners zu erlassende —Urteil. Das V. gegen den — Kläger setzt Säumnis, Antrag des —Beklagten, das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen sowie Fehlen eines Versäumnisausschlusses voraus, das V. gegen den Beklagten außerdem — Schlüssigkeit der Klage. Das V. muss als solches bezeichnet sein. Gegen das V. ist der —Einspruch binnen 2 Wochen ab —Zustellung zulässig (§§ 338 f. ZPO). Er versetzt den Prozess in die Lage zurück, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Der Säumige trägt die durch die Versäumnis veranlassten — Kosten. Gegen ein zweites V. ist kein Einspruch mehr möglich (§ 345 ZPO). Ausnahmsweise ist gegen ein V., gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, die —Berufung oder Anschlussberufung zulässig, wenn sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung (z. B. wegen Straßenverkehrsstaus) nicht Vorgelegen habe (§ 514 II ZPO). Das in der Berufsordnung der — Rechtsanwälte Deutschlands enthaltene Verbot, ohne Vorankündigung ein V. gegen einen nicht (rechtzeitig) erschienenen Kollegen zu beantragen, verstößt gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit. Lit.: Steinhauer, T., Versäumnisurteile in Europa, 1996

ist ein Urteil, das gegen die säumige Partei ergeht, weil sie einen Termin zur mündlichen Verhandlung versäumt hat. V.e gibt es nur im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren. In den anderen Gerichtsbarkeiten ist das Versäumnisverfahren wegen des dort herrschenden Untersuchungsgrundsatzes ausgeschlossen. Ein V. kann gegen den Kläger (§ 330 ZPO) oder gegen den Beklagten (§ 331 ZPO) und nur auf Antrag der Gegenpartei ergehen. Es setzt voraus, dass die Klage zulässig (Prozessvoraussetzungen) und, wenn es gegen den Beklagten ergeht, auch schlüssig ist (Schlüssigkeit). V.e können einen erheblich abgekürzten Inhalt haben (§ 313 b ZPO) und werden mit dem Einspruch (Einspruch, 1), nur ausnahmsweise mit der Berufung (§ 514 II ZPO) angefochten, wenn ein sog. zweites Versäumnisurteil (§ 345 ZPO) vorliegt. Ein V. kann, soweit zulässig, auch in höherer Instanz ergehen (vgl. § 539 ZPO). Häufig wird auch von einem unechten V. gesprochen, das in Wirklichkeit ein streitiges Urteil ist, nämlich wenn gegen die säumige Partei ein Urteil ergeht, aber nicht auf Grund der Säumnis, oder gegen die erschienene Partei trotz Säumnis des Gegners (z. B. Abweisung der Klage als unzulässig oder nicht schlüssig).




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