Gemeindeverfassungstypen
Weiterführend ist eine Unterscheidung der Gemeindeverfassungstypen nach dem Umfang und der Bedeutung der jeweiligen Entscheidungszuständigkeiten der einzelnen Organe, insbesondere nach der Stellung des Bürgermeisters. Die süddeutsche Ratsverfassung konzentriert die Entscheidungszuständigkeiten auf zwei Organe, ist also dualistisch geprägt. Das Hauptorgan ist der Gemeinderat, bei dem grundsätzlich die (interne) Beschlusszuständigkeit liegt. Das zweite Organ ist der Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung. Die süddeutsche Ratsverfassung verleiht dem Bürgermeister eine starke Stellung, weil er von der Bürgerschaft unmittelbar gewählt wird und über eigene Entscheidungsbefugnisse verfügt. Die süddeutsche Ratsverfassung ist im Laufe des 19. Jahrhunderts in Bayern, Baden und Württemberg entstanden und ist heute (bei Abweichungen in Einzelfragen) der am weitesten verbreitete Gemeindeverfassungstyp. Die (rheinische) Bürgermeisterverfassung ähnelt der süddeutschen Ratsverfassung und unterscheidet sich von dieser im Wesentlichen nur dadurch, dass der Bürgermeister nicht durch Volkswahl, sondern vom Gemeinderat gewählt wird. Bei der echten Bürgermeisterverfassung ist der Bürgermeister geborener Vorsitzender des Gemeinderats mit Stimmrecht, während dies bei der unechten Bürgermeisterverfassung nicht der Fall ist. Die (rheinische) Bürgermeisterverfassung hat sich im 19. Jahrhundert in den napoleonisch besetzten Rheinlanden entwickelt. Sie hat heute keine Bedeutung mehr, weil die Gemeindeordnungen im Zuge einer stärkeren Beteiligung des Gemeindevolkes der unmittelbaren Wahl des Bürgermeisters weitgehend den Vorzug geben. Die Magistratsverfassung kennt drei Organe, ist also trialistisch geprägt. Sie unterscheidet sich von den vorgenannten Gemeindeverfassungstypen dadurch, dass die dort dem Bürgermeister zustehenden Verwaltungszuständigkeiten hier von einem besonderen Kollegialorgan, dem Magistrat (Verwaltungsvorstand), wahrgenommen werden. Der Magistrat wird vom Gemeinderat gewählt und besteht aus dem Bürgermeister sowie haupt- und ehrenamtlichen Beigeordneten. Der aus der Mitte des Gemeinderats oder unmittelbar vom Volk gewählte Bürgermeister ist Vorsitzender des Magistrats (nicht jedoch des Gemeinderats) und Leiter der Gemeindeverwaltung. Bei der (heute nicht mehr bestehenden) echten Magistratsverfassung bedurften die Beschlüsse der Gemeindevertretung der Zustimmung des Magistrats, bei der unechten Magistratsverfassung nicht. Die Magistratsverfassung geht auf die preußische Städteordnung zurück und gilt heute u. a. in Hessen. Die norddeutsche Ratsverfassung konzentriert sämtliche Kompetenzen beim Gemeinderat und geht damit im Ansatz von einem monistischen Modell aus. Die Leitung der Gemeindeverwaltung obliegt dem Gemeindedirektor, der vom Gemeinderat gewählt und (theoretisch) im Auftrag des Gemeinderats tätig wird. Er ist zugleich Vollzugs- und Vertretungsorgan. Der gleichfalls vom Gemeinderat gewählte Bürgermeister ist weder Leiter der Gemeindeverwaltung noch rechtlicher Vertreter der Gemeinde, sondern ehrenamtlich tätiger Vorsitzender des Gemeinderats und nur für die repräsentative Vertretung der Gemeinde zuständig. Die norddeutsche Ratsverfassung geht auf englischen Einfluss in der Besatzungszeit zurück und war das in Nordrhein-Westfalen (bis 1994) und in Niedersachsen (bis 1996) geltende Grundmodell. Heute ist in beiden Ländern das Modell der süddeutschen Ratsverfassung eingeführt.
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