Inhaltsirrtum

liegt gem. § 119 I 1.Alt. BGB vor, wenn der Erklärende im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung zwar die Erklärung ihrer Gestalt nach abgeben wollte, sich aber über deren inhaltliche Tragweite oder Bedeutung irrte, so daß anzunehmen ist, daß er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte. Der Irrende wußte also, was er sagte, nicht aber, was er damit sagte. Das ist z.B. der Fall, wenn jemand 25 Gros Rollen WC-Papier (= 3600 Rollen) in der Annahme bestellt, es handle sich um 25 große Rollen. Der I. kann auch die Person des Geschäftspartners oder den Gegenstand des Vertrages betreffen (sog. Identitätsirrtum). Abzugrenzen ist der I. vom unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum. Diese Abgrenzung ist notwendig, da jeder I. immer auch ein Irrtum über die Rechtsfolge ist. Ein I. ist nur gegeben, wenn über die Rechtsfolgen geirrt wird, die die fragliche Erklärung unmittelbar herbeiführen will. Ein unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum dagegen liegt vor, wenn sich der Erklärende über die vom Gesetz an seine Erklärung geknüpften Rechtsfolgen irrt.

Geschäftsirrtum.

(§119 BGB) ist der Irrtum (lat. [M.] error) über den Inhalt einer Erklärung. Er kann die Person des Erklärungsgegners, die Rechtsnatur des Geschäfts oder den Gegenstand des Geschäfts betreffen (z.B. Irrtum über die Identität des Gegenstands). Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden (§ 119 II BGB, z.B. Sachkunde einer Person, Echtheit eines Kunstwerks, nicht Wert einer Sache). Der I. berechtigt grundsätzlich zur Anfechtung der Erklärung (anders z. B. im Kaufrecht bei Sachmängeln).

Willensmangel, bei dem der Erklärende (subjektiv) eine fehlerhafte Vorstellung von (objektivem, ggf. durch Auslegung ermitteltem) Inhalt oder Tragweite der von ihm abgegebenen Willenserklärung hat („der Erklärende weiß, was er sagt, weiß aber nicht, was er damit sagt”). Bei einem Verlautbarungsirrtum (auch Bedeutungsirrtum genannt) hat der Erklärende eine Fehlvorstellung über den objektiven Sinn seiner Äußerung.
LG Hanau, NJW 1979, S.721: Die Konrektorin einer Mädchenschule bestellt auf einem Formular „25 Gros Rollen Toilettenpapier, die Rolle zu 1 000 Blatt” in der Vorstellung, 25 „große” Rollen bestellt zu haben. Tatsächlich ist „Gros” (von frz. „grosse douzaine”) aber ein altertümliches Zählmaß und bezeichnet zwölf Dutzend (= 144 Stück).
Bei einem Identitätsirrtum bezieht sich die Fehlvorstellung auf die Identität des Geschäftsgegenstandes (error in objecto) oder des Geschäftspartners (error in persona). Bei einem error in negotio irrt der Erklärende über die Rechtsnatur des Geschäfts.
A geht auf das schriftliche Angebot des B, das Rennpferd Nixe zu erwerben, in der irrigen Annahme ein, es handele sich um das ihm bekannte preisgekrönte Rennpferd Nixe. A hält B irrtümlich für seinen gleichnamigen Freund B. A nimmt das Angebot in der Fehlvorstellung an, das Rennpferd solle ihm nicht verkauft, sondern geschenkt werden. Beim Identitätsirrtum ist im Einzelfall die Abgrenzung zum Eigenschaftsirrtum schwierig, wegen der gleichen Rechtsfolgen aber ohne praktische Konsequenz.
Sonderfälle des Inhaltsirrtums sind der Rechtsfolgemrrtum und der Kalkulationsirrtum.
Befand sich der Erklärende in einem Inhaltsirrtum, ist die Willenserklärung wirksam, kann aber durch Anfechtung vernichtet werden (§ 119 Abs. 1, Fall 2 BGB). Der Erklärende muss dann allerdings ggf. dem gutgläubigen Erklärungsempfänger den Vertrauensschaden ersetzen (§ 122 BGB).
Besteht die irrtumsbehaftete Erklärung in der Unterzeichnung einer ungelesenen Urkunde, ist zu unterscheiden: Kein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende bewusst keine Kenntnis vom Urkundeninhalt nimmt (und sich daher auch keine Vorstellungen hierzu macht). Anderes gilt nur, wenn sich der Erklärende bestimmte, unrichtige Vorstellungen vom Urkundeninhalt gemacht hat (etwa, dass diese vorherige Absprachen zutreffend wiedergibt).

Anfechtung von Willenserklärungen (1).




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