völkerrechtliche Verantwortlichkeit

Völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes Prinzip, nach dem die Völkerrechtssubjekte, insb. Staaten, für das ihnen zurechenbare, völkerrechtswidrige Verhalten einzustehen haben.
Voraussetzung für die völkerrechtliche Haftung ist zunächst das Vorliegen eines völkerrechtlichen Delikts, d. h. das völkerrechtswidrige Verhalten (Handeln oder Unterlassen bei einer Rechtspflicht zum Handeln) eines Völkerrechtssubjekts (Deliktssubjekt) gegenüber einem anderen Völkerrechtssubjekt (Deliktsobjekt). Die verletzte Norm kann jeder Völkerrechtsquelle entspringen. Die International Law Commission unterscheidet in ihrem Konventionsentwurf zum
Recht der Staatenverantwortlichkeit vom 12.7.
1996 zwischen völkerrechtlichen Delikten und völkerrechtlichen Verbrechen. Bei Verstößen gegen
Erga-omnes-Pflichten handelt es sich um völkerrechtliche Verbrechen, ansonsten um völkerrechtliche Delikte. Des Weiteren muss das tatsächliche Verhalten
des Handelnden dem Völkerrechtssubjekt zurechenbar sein. Handlungen von Staatsorganen werden dem Staat zugerechnet. Dies gilt grundsätzlich auch dann,
wenn sie ihre Kompetenzen überschreiten. Das Handeln Privater wird dem Staat nicht zugerechnet, es sei denn, dass eine Person des Privatrechts nach innerstaatlichem Recht öffentliche Gewalt ausübt. Da ein Staat zur Sicherung völkerrechtsgemäßen Verhaltens verpflichtet ist, kann er jedoch mittelbar für Störungen Privater haften, wenn seine Organe ihre Pflicht insoweit nicht ordnungsgemäß erfüllen.
Der Schaden ist kein zusätzliches Element des haftungsbegründenden Tatbestandes, da er auch ein immaterieller und somit ein moralischer sein kann und
daher keine haftungsbegrenzende Funktion hat. Er ist der Rechtsverletzung immanent. Rechtsverletzung
und Schaden fallen dann in einem Akt zusammen.
Streitig ist, ob die Verletzung des Völkerrechts schuldhaft begangen sein muss oder der Grundsatz der
Erfolgshaftung gilt. Sowohl die Praxis der Staaten als
auch die internationale Rechtsprechung sind insoweit nicht einheitlich. Das Schulderfordernis ist jedoch
weder gewohnheitsrechtlich normiert noch besteht
insoweit ein allgemeiner Rechtsgrundsatz. Liegen Rechtfertigungsgründe vor, führen diese zur Völkerrechtsgemäßheit des Handelns oder Unterlassens. Eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit besteht dann nicht mehr.
Rechtfertigungsgründe können aus Vertrag oder aus Völkergewohnheitsrecht folgen. Folgende kommen in Betracht:
Einwilligung;
Repressalie;
— Recht auf Selbstverteidigung;
— individueller Notstand, d. h., dass für den Handelnden oder dessen anvertraute Personen eine Gefahr
für Leib oder Leben besteht; der generelle Notstand rechtfertigt grundsätzlich nicht (Ausnahme: Schutz wesentlichen Interesses gegen eine schwere und gegenwärtige Gefahr gegenüber einem minderwertigen Interesse);
höhere Gewalt (Ereignis, das völkerrechtskonformes Verhalten unmöglich macht);
— Zufall.
Rechtsfolgen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit: Pflicht zur Einstellung der Völkerrechtsverletzung und zur Wiedergutmachung des eingetretenen
Schadens. Der frühere Zustand muss wieder hergestellt werden (restitutio ad integrum). Bei materiellen Schäden ist Schadensersatz zu leisten. Der immaterielle Schaden ist durch Leistung einer Genugtuung, d. h. öffentliche Erklärung des Bedauerns, zu ersetzen. Der Zugang zu internationalen Schieds- und Gerichtsinstanzen erfordert die Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel des Verletzerstaates (local remediesrule) und ist nur mit Zustimmung dessen möglich.




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