Sozialstaat

Staat, der nach einer gerechten Sozialordnung strebt und den Ausgleich sozialer Gegensätze übernimmt. Die Bundesrepublik ist nach Art. 20, 28 GC ein sozialer Rechtsstaat und bekennt sich damit zu den Prinzipien des S. Sie kommen im GG zum Ausdruck u.a. durch die Garantie der Koalitionsfreiheit, die Sozialpflichtigkeit des Eigentums und die Möglichkeit der Sozialisierung. Der S. verpflichtet den Gesetzgeber (z.B. Sozialhilfe, Steuergesetzgebung, Vermögensbildung) und ist auch bei der Anwendung und Auslegung der Gesetze zu berücksichtigen.

Die BRD ist nach Art. 20 Abs. 1 GG ein sozialer Bundesstaat; nach Art. 28 GG hat die verfassungsmässige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates zu entsprechen. S. ist danach ein Staat, der das Bestreben nach sozialer Gerechtigkeit und sozialem Ausgleich in die Motivation seines Handelns einbezieht. Das S.sprinzip ist in erster Linie bei der Anwendung und Auslegung von Gesetzen zu berücksichtigen; hierauf besteht ein Anspruch; unmittelbare Rechte des Bürgers ergeben sich aus ihm aber i.d.R. nicht. a. Rechtsstaat.

. Das Sozialstaatsprinzip ist in Art. 20 I GG ("sozialer Bundesstaat") und in Art. 28 I GG ("sozialer Rechtsstaat") verankert. Im Unterschied etwa zum Rechtsstaats- oder zum Demokratieprinzip, die auf einer langen ideengeschichtlichen und verfassungsrechtlichen Überlieferung beruhen, kann der sozialstaatliche Grundsatz, der früheren deutschen Verfassungen fremd geblieben ist, auf keine etablierte Tradition zurückblicken. Die Neuartigkeit des Begriffs ist eine der Ursachen dafür, dass sein Bedeutungsgehalt umstritten ist. Klarheit besteht heute aber darüber, dass das Sozialstaatsprinzip mehr ist als ein blosser Programmsatz ohne rechtliche Verbindlichkeit. Andererseits wird seine Tragweite überzogen, wenn es als grundgesetzlicher Imperativ zur Verwirklichung aller möglichen sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen - vom Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr bis hin zur umfassenden Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche - reklamiert wird. Das Sozialstaatsprinzip ermächtigt u. verpflichtet den Staat, für den Ausgleich der sozialen Gegensätze u. damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen sowie seinen Bürgern soziale Sicherheit zu gewährleisten, wozu jedenfalls das ein menschenwürdiges Leben überhaupt erst ermöglichende Existenzminimum gehört. Die Aufgabe des Staates erschöpft sich heute nicht mehr im Schützen, Bewahren, nur gelegentlichen Intervenieren. Er ist eine planende, lenkende, leistende, verteilende Macht, ohne die soziales Leben gar nicht mehr vorstellbar ist. Das Sozialstaatsprinzip enthält im übrigen insoweit eine Bestandsgarantie, als es die sozialen Errungenschaften, z.B. das Sozialversicherungs- U. Sozialhilferecht oder das Arbeitsschutzrecht, vor ihrer Abschaffung oder völligen Deformierung schützt. Das Bekenntnis des Grundgesetzes zum S. bedeutet nicht die verfassungsrechtliche Fixierung einer bestimmten Wirtschafts- und Sozialordnung (wie etwa der sozialen Marktwirtschaft). Die gegenwärtige Wirtschafts- u. Sozialverfassung ist zwar ein nach dem GG mögliches, nicht aber das allein mögliche System. Das Sozialstaatsprinzip legt das Ziel fest, nicht aber die Methoden, mit denen dieses Ziel zu erreichen ist. Es belässt somit vor allem dem Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Deshalb können aus der objektiv-rechtlichen Wertentscheidung des GG für den S. in aller Regel keine individuellen Ansprüche hergeleitet werden. (Zur Ausstrahlung des Sozialstaatsprinzips auf die Interpretation der Freiheitsgrundrechte Grundrechte.) Der S. muss sich in den Formen des Rechtsstaats realisieren (vgl. Art. 28 IGG: "sozialer Rechtsstaat"). Das vor allem auf Veränderungen gerichtete dynamische Moment des S. u. das eher statische, vorhandene Rechtspositionen bewahrende Moment des Rechtsstaats müssen sich wechselseitig durchdringen. Keines der beiden Prinzipien darf auf Kosten des anderen realisiert werden.

(Art. 20, 28 GG) ist der Staat, der eine Mitverantwortung für die Ausgleichung sozialer Gegensätze innerhalb des Staatsvolks übernimmt. Der S. stellt sich die Aufgabe, eine soziale Revolution durch soziale Reform unter annähernd gleichmäßiger Wohlförderung und Lastenverteilung zu verhindern. Sein Gegensatz ist der liberale Rechtsstaat, dessen Grundlage die formal gleiche Freiheit bildet (str.). Lit.: Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Döring, D., Sozialstaat, 2004; Hickel, R., Sozialstaat im Abbruch, 2004

ein Staat, der nach seiner Verfassung zur Herstellung und Erhaltung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit verpflichtet ist. Für die Bundesrepublik Deutschland folgt das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S.1 GG.
Das Sozialstaatsprinzip enthält gleichsam einen Auftrag an die drei Staatsgewalten: Es verpflichtet den Gesetzgeber, Vorsorge zur Existenzsicherung zu treffen und
einen bestimmten sozialen Mindeststandard zu gewährleisten. Die Exekutive muss im Ermessensbereich soziale Gesichtspunkte angemessen berücksichtigen.
Das Sozialstaatsprinzip kann in Einzelfällen als Auffangtatbestand für nicht geregelte Fälle wirken, z.B. der Verwaltung eine Ermächtigung („Legitimation”) zu Leistungen in Notfällen geben oder sogar zum Einschreiten verpflichten, was zu Ansprüchen des Bürgers auf Einschreiten oder Leistungsgewährung führen kann.
Für die Rechtsprechung ist das Sozialstaatsprinzip Auslegungsregel. Gesetzliche Vorschriften sind im Zweifel so auszulegen, dass sie die Rechtsstellung des Schwächeren verbessern.
Da die Herbeiführung sozialer Gerechtigkeit und die Schaffung sozialer Sicherheit genauer gesetzlicher Regelung bedarf, richtet sich das Sozialstaatsprinzip in erster Linie an den Gesetzgeber. Der sozialstaatlichen Verpflichtung ist der Gesetzgeber weitgehend nachgekommen, vor allem durch starken Ausbau der sozialen Sicherheit (des „sozialen Netzes”: Ausgleich der Kriegsfolgen, Arbeitsrecht, Mietrecht und alle übrigen Vorschriften, die das Sozial- bzw. Sozialversicherungsrecht betreffen).

wird ein Staat genannt, der dem Postulat der sozialen Gerechtigkeit in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung möglichst weitgehend nachzukommen sucht. Ziel des S. ist es danach, größere soziale Unterschiede innerhalb der Gesellschaft abzubauen und jeder Bevölkerungsgruppe einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. Die BRep. ist nach Art. 20, 28 GG ein sozialer Rechtsstaat und bekennt sich damit zu den Prinzipien des S. (ähnlich z. T. die Verfassungen der Länder). Das S.prinzip (als Staatszielbestimmung, Verfassung) kommt im GG in der Garantie der Koalitionsfreiheit, der freien Berufswahl, in der Verpflichtung zum gemeinnützigen Gebrauch des Eigentums und in der vorgesehenen Möglichkeit der Enteignung von Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln zum Zweck der Vergesellschaftung (Sozialisierung) zum Ausdruck. Darüber hinaus beeinflusst das S.prinzip die Auslegung der Gesetze, begrenzt die individuellen Freiheitsrechte und ist Motiv für zahlreiche durchgeführte oder erwogene gesetzgeberische Maßnahmen (Sozialhilfe, Sozialversicherung, Gleichheit der Bildungschancen, Steuergerechtigkeit, Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, Mitbestimmung usw.).




Vorheriger Fachbegriff: Sozialschädlichkeit | Nächster Fachbegriff: Sozialstaatlichkeit


Status der Seite: Auf aktuellem Stand. Nach Überprüfung freigegeben.

 


 


 

 

MMnews

 

Copyright 2023 Rechtslexikon.net - All rights reserved. Impressum Datenschutzbestimmungen Nutzungsbestimmungen