Faktische Gemeinschaft

Bei einer Eigentumswohnung :

Bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft handelte es sich in der Vergangenheit um eine nicht rechtsfähige und nicht parteifähige beziehungsweise nicht beteiligungsfähige Bruchteilsgemeinschaft im Sinne von §§ 1008, 741 ff. BGB.

Diese Sichtweise hat sich seit der "Jahrhundertentscheidung" des BGH vom 02.06.2005 (NJW 2005, 543) geändert und der Gesetzgeber hat in der WEG-Reform (in Kraft ab 01.07.2007) unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Eigentümergemeinschaft als (teil-)rechtsfähigen Verband definiert, soweit der "Verband" bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt (§ 10 Abs. 6 WEG). Gegenüber Dritten im Aussenverhältnis (und teilweise im "Binnenverhältnis") tritt die Wohnungseigentümergemeinschaft als "Verband" (untechnisch) auf und nicht mehr als in einer Gemeinschaft zusammengeschlossene, einzelne Wohnungseigentümer.

Deshalb haben die Wohnungseigentümer gemeinsam aus dieser Stellung als Eigentümergemeinschaft als Verband gegenüber unbeteiligten Dritten beispielsweise eine Verkehrssicherungspflicht (Winterdienst/Schneeräumen/Absichern einer Baugrube). Selbstverständlich nur für das -gemeinschaftliche Eigentum, nicht für den Bereich des Sondereigentums. Hier ist nach wie vor der einzelne Wohnungseigentümer verantwortlich.

Rechtlich entsteht die Eigentümergemeinschaft nach Massgabe von §§ 3 und 4 WEG durch Vertrag. Die Wohnungseigentümergemeinschaft oder Teileigentümergemeinschaft kann auch durch Teilung gemäss § 8 WEG entstehen, und zwar dann, wenn ein dinglich wirksamer Erwerb des ersten Wohnungseigentümers beziehungsweise Teileigentümers vom teilenden Eigentümer vollzogen ist.

Bedeutsam ist der Zeitraum, der vor dem eigentlichen Entstehen der Eigentümergemeinschaft liegt. Schon vor der eigentlichen rechtlichen Entstehung der Gemeinschaft sind die Vorschriften über das Innenverhältnis der Eigentümer (§§ 10 bis 29 WEG) anwendbar, sobald eine werdende, das heisst faktische Gemeinschaft entstanden ist. Äusserer Anknüpfungspunkt für die juristische Annahme einer faktischen Gemeinschaft ist in der Inbesitznahme des

Wohnungseigentums beziehungsweise Teileigentums zu sehen, was aber noch nicht bedeutet, dass die Eigentumswohnung bezogen sein muss.

Bei einer Begründung des Wohnungseigentums oder Teileigentums gemäss § 8 WEG (Teilung durch den Eigentümer) genügt für die Annahme einer faktischen Gemeinschaft die Besitzergreifung des Wohnungseigentums beziehungsweise Teileigentums durch den ersten Erwerber von dem teilenden Eigentümer. Weiter verlangt die Rechtsprechung für die Annahme einer faktischen Gemeinschaft, dass eine Sicherung der Ansprüche durch eine Vormerkung gegeben ist oder eine bindende Einigung beziehungsweise Auflassung mit entsprechendem Eintragungsantrag des Erwerbers gegeben ist. Notwendig ist auch, dass bereits ein Wohnungsgrundbuch angelegt ist.

Von der faktischen Gemeinschaft ist die Position des faktischen Wohnungseigentümers (werdender Wohnungseigentümer) zu unterscheiden. Es handelt sich hierbei um einen Nichteigentümer. Ein solcher Erwerber, der beispielsweise eine Wohnung von einem Bauträger gekauft hat, hat noch keine eigenen Rechte und auch noch keine eigenen Pflichten, die aus dem Wohnungseigentumsgesetz resultieren.

Möglicherweise kann der Nichteigentümer oder der faktische Wohnungseigentümer das Wohnungseigentum besitzen, und zwar aufgrund eines Erwerbsvertrages, während gleichzeitig die Gemeinschaft rechtlich schon in Vollzug gesetzt ist. Beispielsweise dann, wenn mehrere Wohnungseinheiten in einer Gemeinschaft vorhanden sind und bereits eine einzige Eigentumswohnung vom Bauträger auf einen Wohnungseigentümer vollständig übereignet ist.

Der "werdende" Eigentümer ist im Sinne des WEG "Nichteigentümer" und hat damit auch keine Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Üblicherweise wird der faktische Wohnungseigentümer aber vom Veräusserer ermächtigt, dessen Rechte im eigenen Namen geltend zu machen, soweit der Veräusserer der Wohnung seine Rechte nicht mehr ausübt.

In den notariellen Kaufverträgen wird dies regelmässig dadurch dokumentiert, dass ein Zeitpunkt für den Übergang des Besitzes beziehungsweise der Nutzen, Lasten und Gefahren zeitlich fixiert und ein bestimmtes Datum angegeben wird.

Die Voraussetzungen einer faktischen Gemeinschaft sind kurz zusammengefasst:

* der unmittelbare oder mittelbare Besitz des Wohnungseigentümers an der Wohnung, die bewohnbar sein muss

* der Abschluss eines schuldrechtlichen Erwerbsvertrages

* die dingliche Sicherung des Erwerbs durch Eintragung einer Vormerkung

Der faktische (werdende) Wohnungseigentümer kann schon vor Eintragung im Grundbuch

* sein Stimmrecht in der Eigentümerversammlung ausüben,

* baulichen Veränderungen zustimmen oder die Beseitigung nicht genehmigter baulicher Veränderungen verlangen,

* Beschlüsse anfechten.

Auch Hausgeldzahlungen hat der werdende Wohnungseigentümer bereits vor der Eintragung im Grundbuch zu leisten (Hausgeld).

Die faktische Gemeinschaft endet durch die Eintragung des ersten Erwerbers als Eigentümer im Grundbuch. Die Stellung anderer "werdender Eigentümer" bleibt jedoch bestehen.




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