Restschuldbefreiung

(§§ 286 ff. InsO) ist die Befreiung des Insolvenzschuldners von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten. Die R. ist nur bei natürlichen Personen möglich. Sie setzt einen Antrag des Schuldners voraus. Ihm ist die Erklärung beizufügen, dass der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Dienstbezüge oder andere laufende Bezüge für die Zeit von sieben Jahren an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Über den Antrag entscheidet das Insolvenzgericht. Lit.: Hess, H./Obermüller, M., Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 3. A. 2003; Vallender, H., Restschuldbefreiung, JuS 2004, 665

eines der Ziele des Insolvenzverfahrens (§ 1 S.2 InsO). Sie soll verhindern, dass die Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren und nach Ablauf einer sechsjährigen Wohlverhaltensperiode ihre restlichen — noch nicht erfüllten — Forderungen gegen den Insolvenzschuldner unbeschränkt geltend machen können (Recht der freien Nachforderung, § 201 Abs. 1 InsO). Das nach dem Abschluss eines Insolvenzverfahrens bestehende unbeschränkte Nachforderungsrecht hat häufig zur Folge, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, sich wieder eine dauerhaft gesicherte Existenz zu schaffen, da er nur auf seine unpfändbaren Einkünfte und Vermögenswerte zurückgreifen kann. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber das Institut der Restschuldbefreiung (§§286-303 InsO) geschaffen, um dem Insolvenzschuldner eine Chance für einen wirtschaftlichen Neuanfang zu geben. Belastet werden dadurch die Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen ganz oder zum Teil verlieren. Dem Restschuldbefreiungsverfahren muss immer ein Insolvenzverfahren vorausgehen. Es handelt sich nicht um ein selbstständiges Verfahren. An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Gesetzgeber die Einführung eines vereinfachten Entschuldungsverfahrens bei völlig mittellosen Schuldnern plant, da sich das der Restschuldbefreiung vorgeschaltete Insolvenz-verfahren als unpraktikabel erwiesen hat (s. Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, BT-Drucksache 16/7416.
Die Restschuldbefreiung kommt nicht in Betracht, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde (§ 26 InsO) oder wenn das Insolvenzverfahren nach der Eröffnung mangels Masse eingestellt wird. Wird das Insolvenzverfahren nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 208, 211 InsO) eingestellt, so kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach der Anzeige die Insolvenzmasse verteilt worden ist (§ 289 Abs. 3 InsO).
Nur einer redlichen natürlichen Person kann Restschuldbefreiung erteilt werden (§§ 1 S. 2, 286 InsO). Dabei wird nicht zwischen Kaufleuten oder Verbrauchern unterschieden. Für natürliche Personen, die keine oder nur eine geringfügige selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, sehen die §§ 304 ff. InsO das Verbraucherinsolvenzverfahren vor. Die Restschuldbefreiung ist insoweit subsidiär. Bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit führt das Insolvenzverfahren zur Liquidation oder zur Sanierung. Demnach besteht bei ihnen kein Anlass für eine Restschuldbefreiung.
Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll (§ 287 Abs. 1 InsO).
Anzumerken ist, dass der Schuldner bei der Beantragung eines Insolvenzverfahrens vom Insolvenzgericht darauf hingewiesen werden soll, dass er nach Maßgabe der §§286-303 InsO Restschuldbefreiung erlangen kann (§ 20 Abs. 2 InsO).
Dem Antrag auf Restschuldbefreiung ist eine Erklärung beizufügen, dass der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt (§ 287 Abs. 2 S.1 InsO). Die Erklärung soll dem Schuldner verdeutlichen, dass er Restschuldbefreiung nur erlangen kann, wenn er sich für eine geraume Zeit mit dem pfändungsfreien Arbeitseinkommen begnügt. Vereinbarungen, die die Abtretung ausschließen oder einschränken, sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung vereiteln oder beeinträchtigen würden (§ 287 Abs. 3 InsO).
Der Schuldner, der einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, kann gleichzeitig die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung beantragen, wenn sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken (§§ 4 a-4 d InsO).
Nach Anhörung der Insolvenzgläubiger und des Insolvenzverwalters im Schlusstermin (§ 197 InsO, Insolvenzverfahren) entscheidet das Insolvenzgericht über den Antrag des Schuldners durch Beschluss (§ 289 Abs. 1 InsO).
Die Versagung der Restschuldbefreiung kommt in Betracht, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und wenn der Schuldner einen der in § 290 InsO aufgezählten Versagungsgründe erfüllt hat. Die Aufzählung dieser Versagungsgründe ist abschließend. Nur dem redlichen Schuldner, der sich seinen Gläubigern gegenüber stets korrekt verhalten hat, soll die Möglichkeit der Restschuldbefreiung gewährt werden.
Liegen die Voraussetzungen des § 290 InsO nicht vor, so kommt es zur Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Ankündigungsbeschluss, wenn der Schuldner den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 (Insolvenzstraftaten, §§ 283-283 c StGB) und § 298 InsO (Deckung der Mindestvergütung) nicht vorliegen (§ 291 Abs. 1 InsO).
Im Ankündigungsbeschluss bestimmt das Gericht den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung (§ 287 Abs.2 lnsO) übergehen (§ 291 Abs. 2 InsO). Der Treuhänder kann vorn Schuldner und von den Insolvenzgläubigern vorgeschlagen werden. Es soll sich um eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete natürliche Person handeln (§ 288 InsO), die auch der amtierende Insolvenzverwalter sein kann. Die Rechtsstellung des Treuhänders ergibt sich aus § 292 InsO.
Zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens kommt es nach Rechtskraft des Beschlusses, der die Restschuldbefreiung versagt oder ankündigt (§ 289 Abs. 2 S. 2 lnsO). Mit Versagung der Restschuldbefreiung entsteht für die Insolvenzgläubiger das Recht der unbeschränkten Nachforderung (§ 201 InsO). Ist dagegen die Restschuldbefreiung angekündigt worden, so fängt zunächst die Wohlverhaltensperiode an, an deren Ende die Möglichkeit der Restschuldbefreiung steht.
Die Dauer der zur Restschuldbefreiung führenden Wohlverhaltensperiode richtet sich nach der sechsjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 InsO). Während dieser Zeit zieht der Treuhänder die übergegangenen Bezüge und sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter ein. Einmal jährlich erfolgt die Verteilung der eingezogenen Beträge aufgrund des erstellten Schlussverzeichnisses an die Gläubiger (§ 292 Abs. 1 InsO). Nach Ablauf von vier Jahren erhält auch der Schuldner jährlich einen gesetzlich festgelegten Betrag (§ 292 Abs. 1 S. 4 InsO). Dieser Betrag, der nach Ablauf des vierten Jahres zehn Prozent und nach Ablauf des fünften Jahres seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens fünfzehn Prozent der eingezogenen Gelder beträgt, soll dem Schuldner die Wohlverhaltensperiode erträglicher machen und ihn für die Restlaufzeit der Periode ermutigen. Da zwischen den Insolvenzgläubigern der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt, sind Vereinbarungen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch die diesen ein Sondervorteil verschafft wird, nichtig (§ 294 Abs. 2 InsO). Unzulässig sind Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger während der Dauer der Wohlverhaltensperiode (§ 294 Abs. 1 InsO). Gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 InsO) erfasst werden, kann der zur Zahlung Verpflichtete eine Forderung gegen den Schuldner nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach § 114 Abs. 2 InsO zur Aufrechnung berechtigt wäre (§294 Abs. 3 InsO). Während der Wohlverhaltensperiode hat der Schuldner einige Obliegenheiten zu beachten (§ 295 InsO). Verstößt der Schuldner gegen diese Obliegenheiten, so kann die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers versagt werden, wenn der Verstoß die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt (§ 296 InsO). Wird der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder während der Dauer der Wohlverhaltensperiode wegen einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt, so versagt das Insolvenzgericht ebenfalls auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung (§ 297 InsO). Auch der Antrag des Treuhänders kann die Restschuldbefreiung verhindern, wenn die an diesen abgeführten Beträge seine Mindestvergütung nicht decken und der Schuldner den fehlenden Betrag nicht einzahlt (§ 298 InsO).
Kommt es zur vorzeitigen Beendigung der Wohlverhaltensperiode, weil die Restschuldbefreiung nach § 296, 297 oder 298 InsO versagt wird, so enden die sechsjährige Laufzeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger (§ 299 InsO). Die Gläubiger haben nun das unbeschränkte Recht, ihre noch offen stehenden Forderungen geltend zu machen (§ 201 InsO).
Kommt es zu keiner vorzeitigen Beendigung der Wohlverhaltensperiode, so entscheidet das Insolvenzgericht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Treuhänders und des Schuldners über die Erteilung oder die Versagung der Restschuldbefreiung
(§ 300 Abs. 1 InsO). Liegen die in § 300 Abs. 2 InsO aufgezählten Versagungsgründe nicht vor, so wird die Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht erteilt.
Folge der Restschuldbefreiung ist, dass die Forderungen der Insolvenzgläubiger, soweit sie nicht im Insolvenzverfahren oder während der Wohlverhaltensperiode erfüllt worden sind, zu unvollkommenen Verbindlichkeiten werden. Das bedeutet, dass die Forderungen weiterhin erfüllbar bleiben. Sie können jedoch nicht vom jeweiligen Forderungsinhaber eingeklagt werden. Umgekehrt kann der Schuldner vom Gläubiger nicht die Rückgabe des Geleisteten verlangen, wenn er den Gläubiger befriedigt hat, obwohl er aufgrund der Restschuldbefreiung nicht mehr zur Befriedigung verpflichtet war (§ 301 Abs. 3 InsO). Diese Wirkungen treten gegenüber allen Insolvenzgläubigern ein, auch gegenüber den Gläubigern, die ihre Forderungen nicht zur Tabelle angemeldet haben
(§ 301 Abs. 1 InsO). Allerdings werden die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie ihre dinglichen Sicherheiten (Vormerkungen, Grundpfandrechte, Pfandrechte etc.) durch die Restschuldbefreiung nicht berührt (§ 301 Abs. 2 InsO). Auch die in §302 InsO aufgeführten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt. Das Gleiche gilt für die Gläubiger, die ihre Ansprüche gegen den Schuldner erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben haben.
Die Restschuldbefreiung kann durch das Insolvenzgericht auf Antrag eines Insolvenzgläubigers widerrufen werden. Der Widerruf erfolgt, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat (§ 303 InsO).

Hat ein Insolvenzverfahren stattgefunden, das nicht zur vollen Befriedigung der Insolvenzgläubiger geführt hat, so kann ein Schuldner, der eine natürliche Person ist, unter bestimmten Voraussetzungen von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit werden (§ 286 InsO). Eine R. kann daher nicht einer juristischen Person oder Personengesellschaft zugute kommen, aber nicht nur einem „Verbraucher“ (Verbraucherinsolvenzverfahren) oder Kleingewerbetreibenden, sondern z. B. auch einem (Einzel-)Unternehmer. Voraussetzung ist zunächst ein Antrag des Schuldners, der bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll (§ 287 I InsO). Dem Antrag ist die Erklärung beizufügen, dass der Schuldner seine pfändbaren Bezüge aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis für die Zeit von 6 Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt (§ 287 II InsO). Nach Anhörung der Insolvenzgläubiger und des Insolvenzverwalters im Schlusstermin entscheidet über den Antrag das Insolvenzgericht (§ 289 InsO).

Die R. wird nur dem redlichen Schuldner gewährt. Sie ist deshalb von vorneherein zu versagen, wenn der Schuldner wegen einer Insolvenzstraftat vorbestraft ist, schuldhaft unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse macht oder im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet hat (§ 290 InsO). Während der Laufzeit der genannten Abtretungserklärung hat der Schuldner eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder sich um eine solche ernsthaft zu bemühen, keine Bezüge zu verheimlichen und eingehende Gelder (z. B. aus einer selbständigen Tätigkeit) an den Treuhänder abzuliefern (mit einem im Lauf der Zeit steigenden Eigenanteil des Schuldners, §§ 295, 292 InsO). Verstößt der Schuldner gegen diese Obliegenheiten oder macht er sich während der Laufzeit einer Insolvenzstraftat schuldig, so wird ihm die R. versagt (§ 296 InsO). Anderenfalls erteilt das Insolvenzgericht die R. (§ 300 InsO), die allerdings auf Antrag eines Insolvenzgläubigers auch nachträglich noch widerrufen werden kann, wenn die Voraussetzungen für sie nicht vorgelegen haben (§ 303 InsO, Wiederauflebensklausel). Wird R. erteilt, so wirkt diese gegenüber allen Insolvenzgläubigern (also auch gegenüber solchen, die ihre Forderung nicht angemeldet haben), § 301 InsO. S. a. Insolvenzplan.




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