Erfüllung

Durch Vertrag verpflichtet man sich zur Erbringung einer bestimmten Leistung - der Arbeitnehmer z. B. zur Erbringung einer bestimmten Arbeit oder auch nur zur Anwesenheit am Arbeitsplatz, der Arbeitgeber zur Bezahlung des vereinbarten Gehalts, die Werkstatt zu bestimmten Reparaturleistungen und der Auftraggeber zur Bezahlung der vereinbarten Geldsumme hierfür oder zur Bezahlung eines üblichen Geldbetrages etc. Wer diese von ihm geschuldete Leistung erbringt, hat sie »erfüllt«, so dass mit der Erbringung der Leistung das Schuldverhältnis erlischt - mit Ausnahme von Dauerschuldverhältnissen, wie der Arbeitsleistung, bei denen sich Arbeitsverpflichtung und Gehaltszahlung immer wieder erneuern bis das Schuldverhältnis schliesslich gekündigt wird. Unter Erfüllung versteht man also die Bewirkung der geschuldeten Leistung. Wer eine andere als die geschuldete Leistung bewirkt, erfüllt nicht; es sein denn, der Empfänger sagt: »Mir ist diese Leistung gerade so recht wie die andere« - dann ist eine sogenannte Annahme an Erfüllungs Statt eingetreten.

Tritt bei einem Schuldverhältnis ein, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung erbringt (zum Beispiel bei einem Kaufvertrag der Verkäufer die gekaufte Sache liefert und das Eigentum daran auf den Käufer überträgt; der Käufer den vereinbarten Kaufpreis bezahlt). Mit der vollständigen Erfüllung durch beide Seiten erlischt das Schuldverhältnis (§362BGB). Dabei muß allerdings darauf geachtet werden, daß wirklich genau die geschuldete Leistung erbracht wird. So muß eine Geldschuld grundsätzlich bar bezahlt werden. Eine Überweisung auf ein Bankkonto des Gläubigers ist nur zulässig, wenn dieser damit einverstanden ist. Das Einverständnis wird allerdings unterstellt, wenn der Gläubiger auf seiner Rechnung ein Bankkonto angegeben hat. Die Hingabe eines Schecks ist nur eine Leistung «erfüllungshalber», das heißt, das Schuldverhältnis erlischt erst, wenn der Scheck eingelöst wird. Die Leistung kann in aller Regel auch durch andere Personen als den Schuldner erfolgen (zum Beispiel der Vater zahlt die Schulden seines Sohnes, §267 BGB). Das ist nur ausgeschlossen, wenn das Schuldverhältnis auch ein persönliches Vertrauensverhältnis beinhaltet (zum Beispiel kann nicht ein Arbeitnehmer seinen Freund an seiner Stelle zur Arbeit schicken). Mit Zustimmung des Gläubigers kann auch an einen anderen als den Gläubiger geleistet werden (zum Beispiel Zahlung an einen Gläubiger des Gläubigers). Oft erfordert die Erfüllung noch einmal einen besonderen Vertrag, zum Beispiel wenn sie in einer Übertragung von Eigentum besteht. Diesen Vertrag bezeichnet man als das Erfüllungsgeschäft.

ist Schuldtilgung durch Bewirken der geschuldeten Leistung (§ 362 I BGB). Es handelt sich um eine rechtsvernichtende Einwendung. Unter Leistung versteht man das Herbeiführen des Leistungserfolgs, sofern das Schuldverhältnis einen solchen fordert. Umstritten ist, wie die E. dogmatisch zu konstruieren ist. Nach der Vertragstheorie tritt E. nicht schon mit Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolgs ein, sondern erst durch einen auf Aufhebung des Schuldverhältnisses gerichteten Vertrag der Beteiligten. Herrschend ist jedoch die Theorie der realen Leistungsbewirkung. Danach genügt zur E. die Herbeiführung des Leistungserfolgs durch eine Leistungshandlung des Schuldners. Daneben wird auch noch die Theorie der finalen Leistungsbewirkung vertreten, wonach zusätzlich eine Zweckbestimmung erforderlich sein soll. Die h.M. lehnt dies allerdings ab: Eine Zweckbestimmung ist. was § 366 BGB belegt, zwar möglich, bei Drittleistungen auch erforderlich, aber eben kein allgemeingültiges Tatbestandsmerkmal der E.

ist Schuldtilgung durch Bewirken der geschuldeten Leistung, vgl. auch Vorbehalt. Es ist sehr streitig, ob die E. ausser dem Bewirken der Leistung noch einen Erfüllungswillen des Schuldners und einen Annahmewillen des Gläubigers oder beides oder keines von beiden voraussetzt (von Bedeutung etwa, wenn von einem Geschäftsunfähigen geleistet wird); Teilleistung, Vertragsstrafe.

ist das Bewirken der geschuldeten Leistung (z.B. Übereignung der Kaufsache, bare Zahlung des Kaufpreises, Gutschrift auf Bankkonto infolge einer Überweisung) durch den Schuldner an den Gläubiger bzw. die dadurch eintretende Schuldtilgung (§ 362 I BGB), die das Schuldverhältnis erlöschen lässt. Die Leistung eines anderen Gegenstands ([lat.] aliud) als des geschuldeten Gegenstands ist ebensowenig E. wie die Leistung an eine andere Person als den Gläubiger (vgl. § 362 II BGB). Die E. erfolgt als reale Leistungsbewirkung, erfordert also nicht in jedem Fall ein rechtsgeschäftliches Handeln (z.B. Reparatur einer Maschine). Leistung an Erfüllungs Statt und Leistung erfüllungshalber sind grundsätzlich nicht E., sondern zunächst nur Erfüllungs versuche (vgl. aber § 364 I BGB). Lit.: Gernhuber, J., Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. A. 1994; Muscheier, K./Bloch, W., Erfüllung und Erfüllungssurrogate, JuS 2000, 729

Schuldtilgung durch Bewirken der geschuldeten Leistung. Sie führt — wie die sog. Erfüllungssurrogate — zum Erlöschen des Schuldverhältnisses i. e. S.,
also der einzelnen mit der Leistung getilgten Forderung (§ 362 Abs. 1 BGB).
Nur die obligationsgemäße Leistung hat Erfüllungswirkung. Die Leistung muss daher grundsätzlich nach Inhalt, Leistungsort und Leistungszeit so erbracht werden, wie sie geschuldet ist.
Für die Frage, ob eine Leistung unter Vorbehalt erfüllungstauglich ist, kommt es auf den konkreten Inhalt des Vorbehalts an. Die Bewirkung einer anderen als der geschuldeten Leistung
führt nur bei Annahme durch den Gläubiger als Leistung an
Erfüllungs statt zur Erfüllung (§ 364 Abs. 1 BGB).
Bei erfolgsbezogenen Pflichten genügt nicht allein die vom Schuldner vorzunehmende Leistungshandlung, sondern der Eintritt des geschuldeten Leistungserfolgs muss hinzutreten.
So führt etwa die vereinbarte Hinterlegung des Kaufpreises für ein Grundstück auf ein Anderkonto des Notars ohne ausdrückliche Vereinbarung noch nicht zur Erfüllung der Kaufpreisschuld, sondern erst die Auszahlung des hinterlegten Betrages bei Auszahlungsreife an den Verkäufer.
Die Leistung muss bewirkt werden, d. h., der Eintritt des Leistungserfolgs muss auf der Vornahme der Leistungshandlung beruhen.
Tritt der geschuldete Erfolg allein aus anderen Gründen ein (kommt z.B. ein freizuschleppendes Schiff durch Hochwasser von selbst wieder frei), tritt keine Erfiillung der Schuld ein (sondern sie wird — mit Folgen für die Gegenleistungspflicht, § 326 Abs. 1 BGB — wegen Zweckerreichung unmöglich, § 275 Abs. 1 BGB). Nimmt der Schuldner die geschuldete Leistungshandlung vor (erklärt er z.B. die Auflassung für ein verkauftes Grundstück und bewilligt die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch als neuer Eigentümer), ist aber für die Erfüllungswirkung unschädlich, wenn der Eintritt des geschuldeten Leistungserfolgs nicht allein hierauf beruht (z.B. weil der Eigentumserwerb mangels Eigentums des Veräußerers nur kraft guten Glaubens eintritt).
Die Leistung muss nur im Falle persönlicher Leistungspflichten (vgl. etwa §§ 613, 664 Abs. 1 BGB) vom Schuldner selbst bewirkt werden, ansonsten kann dies auch durch einen Dritten geschehen (§ 267 Abs. 1 BGB). Schuldbefreiend ist i. d. R. nur die Leistung an den Gläubiger.
Die Leistung an einen Nichtgläubiger ist ausnahmsweise schuldbefreiend bei Vorliegen einer Empfangsermächtigung bzw. bei Genehmigung durch den Gläubiger (§§362 Abs. 2, 185 BGB) oder in den Fällen der Legitimation durch Rechtsschein (vgl. §§ 370, 407-409, 793 Abs. 1 S.2, 807, 808 Abs. 1 S.1 BGB). Die Leistung an den Gläubiger ist ausnahmsweise nicht schuldbefreiend, wenn ihm die Empfangszuständigkeit fehlt.
Zur objektiven Bewirkung der Leistung muss jedenfalls in bestimmten Fällen eine Tilgungsbestimmung des Leistenden, d. h. der Ausdruck des Willens zur Tilgung einer bestimmten Schuld, als zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal hinzutreten. Erforderlich ist dies bei der Leistung durch einen Dritten nach § 267 Abs. 1 BGB (sog. Fremdtilgungswillen) und bei der zur Gesamttilgung nicht ausreichenden Leistung auf eine Mehrheit von gleichartigen Forderungen (§ 366 Abs. 1 BGB).
Fehlt im letztgenannten Fall eine Tilgungsbestimmung, greift ersatzweise die gesetzliche Anrechnungsregel des § 366 Abs. 2 BGB
ein (erst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld anteilig).
Ob subjektive Tatbestandsmerkmale darüber hinaus allgemein erforderlich sind, ist mit der Frage nach der Rechtsnatur der Erfüllung str. Nach der heute nicht mehr vertretenen Vertragstheorie muss jedenfalls für rechtsgeschäftliche Leistungen ein auf die Aufhebung des Schuldverhältnisses gerichteter Erfüllungsvertrag bzw. — nach der sog. Zweckvereinbarungstheorie eine Einigung über den Zweck der Leistung hinzutreten. Die sog. Theorie der finalen Leistungsbewirkung verlangt keinen Vertrag, sondern stets eine einseitige Leistungszweckbestimmung. Die heute herrschende sog. Theorie der realen Leistungsbewirkung verneint demgegenüber die Erforderlichkeit subjektiver Tatbestandselemente außer in den oben genannten Fällen einer ausnahmsweise notwendigen Tilgungsbestimmung. Enthält die Erfüllung kein rechtsgeschäftliches Element, ist sie auch keine Verfügung über die erfüllte Forderung.
Gegen Vertrags- und Zweckvereinbarungstheorie sprechen der Wortlaut des § 362 Abs. 1 BGB (auch im Vergleich zu § 364 Abs. 1 BGB) und die in den Fällen der §§366 Abs. 1, 367 Abs. 2 BGB vorgesehene einseitige Leistungsbestimmung. Gegen die Theorie der finalen Leistungsbestimmung spricht, dass das Gesetz in den §§ 366 Abs. 2, 367 Abs. 1 BGB ausdrücklich von der Entbehrlichkeit einer Leistungsbestimmung ausgeht.
Nebenfolgen der Erfüllung sind Ansprüche des Schuldners auf Erteilung einer Quittung (§§ 368, 369 BGB) und gfs. Rückgabe eines Schuldscheins (§ 371 BGB).

(Tilgung). Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (§ 362 BGB). Regelmäßig wird der Schuldner selbst erfüllen; über die E. durch einen Dritten Leistung, Ablösungsrecht. Die Leistung ist i. d. R. an den Gläubiger (oder dessen Vertreter; s. aber Quittung, Pfandrecht) zu erbringen; bei Leistung an einen Dritten zum Zwecke der E. finden die Vorschriften über die Verfügung eines Nichtberechtigten (Genehmigung des Gläubigers) entsprechende Anwendung (§§ 362 II, 185 BGB; s. auch Vertrag zugunsten Dritter). Über die Art und Weise der geschuldeten Leistung Leistungsort, Leistungszeit, Treu und Glauben. Str. ist, ob - neben der tatsächlichen Erfüllungshandlung - ein rechtsgeschäftlicher Erfüllungswille des Schuldners und ein entsprechender Annahmewille des Gläubigers Voraussetzung einer rechtswirksamen Erfüllung ist, ob also insbes. zur E. Geschäftsfähigkeit erforderlich ist. Nach dem Inhalt der geschuldeten Leistung ist zu unterscheiden: Besteht diese in einer bloßen Handlung oder Unterlassung (z. B. Werkvertrag), so genügt die rein tatsächliche Erbringung (Theorie der realen Leistungsbewirkung); in anderen Fällen - insbes. bei Lieferung von Waren, Übersendung von Geld - wird entweder ein E.vertrag (Vertragstheorie) oder die Bestimmung durch den Schuldner (s. u.) und die Empfangsberechtigung des Gläubigers, die Geschäftsfähigkeit voraussetzen (h. M.), gefordert. Zahlung ist regelmäßig E.; ebenso ist i. d. R. die Gewährung eines Vorschusses eine vorweggenommene Teilbefriedigung (kein Darlehen). Auch eine Leistung unter Vorbehalt, z. B. um eine drohende Zwangsvollstreckung abzuwenden, ist eine E., die der Gläubiger anzunehmen verpflichtet ist; der Schuldner behält sich hier nur ausdrücklich das Recht zur Rückforderung des Geleisteten aus ungerechtfertigter Bereicherung vor. Lehnt der Gläubiger die Annahme der E. ab, so gerät er in Gläubigerverzug.

Hat der Schuldner mehrere Schuldverhältnisse zu erfüllen, so wird zunächst die Schuld getilgt, die er bei der Leistung bestimmt. Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so werden zunächst angefallene Kosten, dann Zinsen und zuletzt die Hauptsache getilgt (abweichend hiervon beim Kreditvertrag, 5). Von mehreren Schulden wird mangels Bestimmung durch den Schuldner zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen diejenige, die dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet (Pfandrecht, Bürgschaft), unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleich alten Schulden jede verhältnismäßig getilgt (§§ 366, 367 BGB). Hat der Gläubiger eine ihm als E. angebotene Leistung als solche angenommen, so trifft ihn die - sonst für die E. dem Schuldner obliegende Beweislast, wenn er die Leistung nicht als E. gelten lassen will, insbes. weil diese eine andere als die geschuldete Leistung oder mangelhaft gewesen sei (Beweislastumkehr, § 363 BGB). Über Ersatzleistungen Leistung an Erfüllungs Statt und erfüllungshalber. S. ferner Quittung, Schuldschein.




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