Erbschaft- und Schenkungsteuer

Aufgrund des Urteils des BVerfG v. 7. 11. 2006 ist die Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen bei unterschiedlicher Bewertung von Grundbesitzvermögen, Betriebsvermögen sowie land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gegenüber dem übrigen Vermögen verfassungswidrig (vgl. BVerfG, NJW 2007, 573). Mit der neuen E. ist der Gesetzgeber seiner Verpflichtung nachgekommen. Kernpunkte des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2008 sind die neuen Bewertungsgrundsätze, die Verschonungsregelungen für das Produktivvermögen sowie die Änderungen bei den Freibeträgen und dem Steuertarif.

1.
Rechtsgrundlagen der E. ist das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) i. d. F. v. 24. 12. 2008 (BGBl. I 3018) m. Änd. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Anwendung des ErbStG sind in den ErbStR v. 17. 3. 2003 (BStBl. I SonderNr. 1) festgelegt. Das Aufkommen der E. für 2009 betrug 4,55 Mrd. EUR. 2007 lagen 68 v. H. der steuerpflichtigen Nachlässe unter 50 000 EUR.

2.
Der E. unterliegen neben Erwerben von Todes wegen und des Ersatzanspruchs in gleicher Weise Schenkungen unter Lebenden, Zweckzuwendungen und die Turnusbesteuerung von Familienstiftungen und -vereinen. Sind Erblasser, Schenker oder Erwerber Inländer, so ist der gesamte Vermögensanfall steuerpflichtig, sonst nur der Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen (§ 121 BewG) oder in einem Nutzungsrecht an solchen Vermögensgegenständen besteht (§ 2 I ErbStG). Inländer sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben, ferner Auslandsbedienstete sowie deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als 5 Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben. Erst wenn diese „verlängerte unbeschränkte Steuerpflicht“ des § 2 I Nr. 1 b ErbStG abgelaufen ist, setzt bei Auswanderern in ein Niedrigsteuerland die „erweiterte beschränkte Steuerpflicht“ des § 4 AStG ein. Für das Auslandsvermögen bezahlte ausländische E. wird nach § 21 ErbStG angerechnet; Doppelbesteuerung.

3.
Steuerklassen: Die E. wird nach drei Steuerklassen erhoben:

-
Steuerklasse I: Ehegatten, Kinder und Stiefkinder, Abkömmlinge von Kindern und Stiefkindern, bei Erwerb von Todes wegen auch Eltern, Großeltern.

-
Steuerklasse II: Eltern, Großeltern (soweit nicht Steuerklasse I), Geschwister und Kinder von Geschwistern, Schwieger- und Stiefeltern, Schwiegerkinder, geschiedene Ehegatten.

-
Steuerklasse III: die übrigen Erwerber und Zweckzuwendungen.

4.
Die Steuer ist nach dem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs gestaffelt (§ 19 ErbStG): Die Erbschaftsteuer wird nach folgenden Prozentsätzen erhoben:
Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich EUR Prozentsatz in der Steuerklasse ab 2010
I II III
75 000     7 15 30
300 000    11 20 30
600 000    15 25 30
6 000 000    19 30 30
13 000 000    23 35 50
26 000 000    27 40 50
über 26 000 000    30 43 50

5.
Die gestaffelten persönlichen und sachlichen Freibeträge wurden erhöht (§ 16 ErbStG). Sie betragen für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner 500 000 EUR, für Kinder, Stiefkinder und Enkel (wenn die Eltern verstorben sind) 400 000 EUR, für Enkel 200 000 EUR, für Groß-/Eltern im Erbfall 100 000 EUR, für übrigen 20 000 EUR. Hinzu kommt ein Versorgungsfreibetrag für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner in Höhe von 256 000 EUR und für Kinder altersabhängig von 10 300 EUR bis 52 000 EUR. Mit der Vollendung des 27. Lebensjahres steht Kindern kein Versorgungsfreibetrag mehr zu.
Hausrat ist in Steuerklasse I bis 41 000 EUR steuerfrei, in Steuerklasse II und III bis 12 000 EUR. Andere bewegliche körperliche Gegenstände sind in Steuerklasse I bis 12 0000 EUR steuerfrei. Alle zehn Jahre werden die genannten Freibeträge neu gewährt (§ 14 ErbStG).

6.
Selbstgenutztes Wohneigentum bleibt erbschaftsteuerfrei. Dies gilt bei Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern unabhängig von der Größe des Objekts. Bei Kindern darf die Wohnfläche nicht mehr als 200 qm betragen. Auch diese müssen das Objekt selbst nutzen. Die Steuerbefreiung entfällt jedoch rückwirkend, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach Erwerb nicht mehr selbst nutzt. Eine Ausnahme besteht für den Fall, dass die Selbstnutzung aus zwingenden Gründen, z. B. eigene Pflegebedürftigkeit aufgegeben wird.
Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Tod eines Ehegatten/Lebenspartners beendet, so gilt auch bei erbrechtlicher Lösung der Betrag, den der überlebende Ehegatte/Lebenspartner im Falle der Scheidung als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, als nicht erbschaftsteuerbar (§ 5 ErbStG). Vgl. Zugewinnausgleich. Der Erwerber einer Rente usw. kann statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus die ErbSt nach dem Jahreswert entrichten (§ 23 I ErbStG). Die jährlich bezahlte E. ist dann abzugsfähige Sonderausgabe (§ 10 I Nr. 1 a ErbStG).

7.
Die Wertermittlung des übergehenden Vermögens erfolgt nach dem Bewertungsgesetz. Für diese Zwecke ist der 6. Abschnitt neu in das Bewertungsgesetz eingefügt worden. Bewertungsmaßstab für Grundvermögen ist nun der gemeine Wert, der inhaltsgleich dem Verkehrswert (Marktwert) entspricht. Als geeignetes Verfahren wird die Bewertung auf Grundlage der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Immobilienwertermittlungsverordnung v. 19. 5. 2010, BGBl. I 639) angesehen. Dabei werden Typisierungen und Vereinfachungen vorgesehen, so dass die Wertfindung ohne Ortsbesichtigung oder Sachverständigengutachten möglich ist. Zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke, die nicht zu einem betrieblichen Vermögen gehören, werden nur 90 v. H. des ermittelten Wertes angesetzt (§ 13c ErbStG).

a) Unbebaute Grundstücke werden mit dem Bodenrichtwert bewertet. Der früher vorgenommene Bewertungsabschlag von 20 v. H. entfällt. Die Bodenrichtwerte werden - wie bisher - von Gutachterausschüssen (§ 196 BauGB) ermittelt und den Finanzbehörden mitgeteilt. Ist der gemeine Wert niedriger als der ermittelte Wert und kann der Stpfl. diesen Wert nachweisen, ist der gemeine Wert anzusetzen.

b) Die Bewertungsverfahren für bebaute Grundstücke kommen jeweils in Abhängigkeit von der jeweiligen Grundstücksart zur Anwendung. Zu unterscheiden sind Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungs- und Teileigentum, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke sowie sonstige bebauter Grundstücke. Für die Einordnung wurde der Begriff der Wohnung gesetzlich definiert. Demnach ist eine Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Sie müssen durch eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennt, in sich abgeschlossene Wohneinheiten mit selbstständigem Zugang darstellen. Die notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) müssen vorhanden sein und die Wohnfläche muss mindestens 23 qm betragen.

aa) Für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie für das Wohnungs- und Teileigentum (unabhängig davon, ob diese vermietet sind oder nicht) gilt grds. das Vergleichswertverfahren. Hier ergibt sich der Wert aus dem Vergleich mit gleichartigen Grundstücken und den hierfür am Markt erzielten Preisen. Die Vergleichspreise werden von den Gutachterausschüssen mitgeteilt. Soweit ein Vergleichwert nicht vorliegt, gilt das Sachwertverfahren.

bb) Für Mietwohngrundstücke mit Drei- und Mehrfamilienhäusern, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke gilt das Ertragswertverfahren. Bei diesem steht für die Wertermittlung die Rendite im Vordergrund, was erfordert, dass sich eine übliche Miete ermitteln lässt. Der Ertragswert eines Grundstücks setzt sich aus dem Bodenwert und dem Gebäudeertragswert zusammen. Als Mindestwert eines Grundstücks ist der Bodenwert heranzuziehen. Der Gebäudewert ermittelt sich aus dem Reinertrag des Grundstücks. Dies ist die Differenz zwischen Rohertrag und den Bewirtschaftungskosten. Ausgangsgröße für den Rohertrag ist die für 12 Monate geschuldete Miete, die im Besteuerungszeitpunkt von den Mietern zu zahlen ist, ohne Berücksichtigung von Umlagen zur Deckung der Betriebskosten. Als Bewirtschaftungskosten sind die bei gewöhnlicher Bewirtschaftung nachhaltig entstehenden Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungskosten sowie das Mietausfallwagnis. Durch Umlagen gedeckte Betriebskosten sind nicht zu berücksichtigen. Diese Bewirtschaftungskosten sollen sich in erster Linie auf die Erfahrungssätze der Gutachterausschüsse stützen. Sind solche nicht vorhanden, so können die Bewirtschaftungskosten pauschal berücksichtigt werden. Die pauschalierten Bewirtschaftungskosten variieren je nach Art des Grundstücks und der Restnutzungsdauer zwischen 18 v. H. und 29 v. H. der Jahresmiete (vgl. Anlage 23 BewG). Die Restnutzungsdauer richtet sich nach dem Alter des Gebäudes und seiner wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer, die in Anlage 22 des BewG festgelegt ist. Da zur Ermittlung des Ertragswertes des Grundstücks der Gebäudeertragswert und der Bodenwert zu addieren sind, ist ausgehend vom Reinertrag des Grundstücks der Gebäudereinertrag zu ermitteln. Dafür ist der Mietanteil, der auf den Grund und Boden entfällt, herauszurechnen. Der in Abzug zu bringende Betrag ist der Wert der sich bei angemessener Verzinsung des Bodenwertes ergibt (§ 185 II 1 BewG). Dabei ist der Liegenschaftszins zugrunde zu legen, der von den Gutachterausschüssen ermittelt wird (§ 188 II 1 BewG). Der sich nach Abzug der Bodenwertverzinsung ergebende Gebäudereinertrag ist mit dem Vervielfältiger (Anlage 21 zum BewG) zu kapitalisieren, § 185 III 2 BewG. Zu diesem Betrag ist der ermittelte Bodenwert zu addieren. Das Ergebnis ist der Grundbesitzwert.

cc) Liegt ein Vergleichswert nicht vor, dann werden Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser im Sachwertverfahren bewertet. Dieses gilt auch für Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine Miete ermitteln lässt, sowie für sonstige bebaute Grundstücke. Das Sachwertverfahren ist gegenüber dem Vergleichswert- und Ertragswertverfahren subsidiär. Über dieses sollen die Regelherstellungskosten eines Gebäudes ermittelt werden. Der Wert des Gebäudes zzgl. des Wertes von Grund und Boden entspricht dem Grundstückswert. Regelherstellungskosten sind die gewöhnlichen Herstellungskosten je Flächeneinheit (§ 190 I BewG). Der Gebäuderegelherstellungswert ergibt sich durch Multiplikation der in Anlage 24 zum BewG enthaltenen Regelherstellungskosten mit der Brutto-Grundfläche des Gebäudes. Die Brutto-Grundfläche wird in Anlage 24 I zum BewG definiert. Es handelt sich um die Summe der aus den Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerkes und aus denen konstruktiven Umschließungen. Ist bei Wohnungseigentum in Mehrfamilienhäusern die Wohnfläche angegeben, kann diese nach dem vorgegebenen Umrechnungsschlüssel in die Brutto-Grundfläche umgewandelt werden (Brutto-Grundfläche = 1,55 × Wohnfläche).

8.
Betriebs- und Landwirtschaftliches Vermögen: Weiterer Kernpunkt der Reform ist die Ermöglichung einer weitgehenden Befreiung von der Steuerpflicht bei Betriebsnachfolgern, wobei die Vergünstigungen abhängig von der Steuerklasse des Erwerbers eintreten. Begünstigtes Vermögen ist das inländische betriebliche Vermögen sowie das entsprechende betriebliche Vermögen einer Betriebsstätte mit Sitz in der EU oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (§ 13 b I, II ErbStG). Das begünstigte Vermögen darf grds. nicht zu mehr als 50 v. H. aus Verwaltungsvermögen bestehen.

a) Fünfjährige Behaltensfrist: 85 v. H. des Wertes des Betriebsvermögens, Vermögen der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sowie bestimmten Anteilen an Kapitalgesellschaften sind von der Erbschaftsteuer unter folgenden Voraussetzungen befreit (sog. Verschonungsabschlag): der Betrieb muss 20 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigen und in einem Zeitraum von 5 Jahren darf die summierte Lohnsumme nicht niedriger als das 4-fache der Ausgangslohnsumme betragen. Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Jahreslohnsumme des Betriebes in den letzten fünf Jahren vor dem Erbfall. Die übrigen 25 v. H. des betrieblichen Vermögens unterliegen der E. nur dann, wenn der Wert über 150 000 EUR liegt (Abzugsbetrag). Soweit dieser Wert überschritten wird, verringert sich der Abzugsbetrag um die Hälfte des übersteigenden Wertes. Ab 450 000 EUR beträgt er daher 0 EUR (§ 13a II ErbStG).
Die Befreiung entfällt, wenn während der Behaltensfrist von 5 Jahren der Betrieb verkauft wird, bei Teilverkäufen entfällt die Befreiung anteilig.

b) Siebenjährige Behaltensfrist: Anstelle der 5 Jahre kann der Erwerber festlegen, dass er den Betrieb 7 Jahre behalten will. Dann tritt an die Stelle der 4-fachen Jahreslohnsumme die siebenfache summierte Lohnsumme. Der Betrieb muss entsprechend 7 Jahre behalten werden. Das Verwaltungsvermögen darf nicht mehr als 10 v. H. aus Verwaltungsvermögen bestehen. Durch die Verlängerung erreicht der Erwerber, die vollständige Erbschaftsteuerfreiheit.

9.
Bewertung von Anteilen an Kapitalvermögen: Diese sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen, der sich grundsätzlich aus dem Börsenkurs ergibt (§ 11 BewG). Bei nicht notierten Anteilen wird er primär aus Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet, die weniger als 1 Jahr vor dem Besteuerungszeitpunkt zurückliegen. Liegen auch derartige Werte nicht vor, so ist der gemeine Wert zu schätzen.

10.
Bewertung des sonstigen Vermögen: dieses ist grundsätzlich mit dem Verkehrswert anzusetzen, z. B. Kapitalforderungen und Schulden mit dem Nennwert.

11.
Stundung: Bei Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftlichen Vermögen kann die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu 10 Jahre zinslos gestundet werden, soweit dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist.

12.
Wahlrecht: Für Erwerbe nach dem 31. 12. 2006 und vor dem 1. 1. 2009 kann ein Erwerber bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung beantragen, dass die neuen Vorschriften - mit Ausnahme der erhöhten Freibeträge - angewendet werden. Ist die Erbschaftsteuer vor dem 1. 1. 2009 festgesetzt worden, konnte der Antrag bis 30. 6. 2009 gestellt werden.

13.
Zur Vermeidung einer Doppelbelastung durch Erbschaft- und Ertragsteuer wurde für Erwerbe nach dem 31. 12. 2008 eine zeitlich begrenzte Steuerermäßigung im Einkommensteuerrecht eingefügt (vgl. § 35 b EStG).




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