Verfassungsbeschwerde

Gemäß dem Grundgesetz kann jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erheben. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist jedoch, dass der Bürger die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel vollständig ausgeschöpft hat.
Vorprüfung der Verfassungsbeschwerde
Nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz bedarf die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich der Annahme zur Entscheidung. Folglich wird zunächst von einem aus mehreren Richtern bestehenden Ausschuss geprüft, ob die Verfassungsbeschwerde überhaupt zulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Misst ihr die Kammer keine hinreichende Erfolgsaussicht bei, so wird die Annahme zur Entscheidung abgelehnt. Wenn die Verfassungsbeschwerde von vornherein aussichtslos erscheint und der Kläger dies eigentlich erkennen musste, kann ihm sogar eine Missbrauchsgebühr auferlegt werden. Wird die Verfassungsbeschwerde jedoch zur Entscheidung angenommen, dann entscheidet das Gericht durch einen der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts.
Verfassungsbeschwerde gegen Rechtsvorschriften
Verfassungsbeschwerden gegen Rechtsvorschriften — also Gesetze und Verordnungen — sind nur zulässig, wenn diese Rechtsvorschriften den Beschwerdeführer selbst gegenwärtig und unmittelbar betreffen. Dies ist nur ausnahmsweise der Fall, da in der Regel die Gesetze durch Behörden vollzogen werden. So kann ein Bürger nicht direkt ein neu erlassenes Steuergesetz angreifen, sondern muss die entsprechenden Steuerbescheide der zuständigen Behörde abwarten.
Es gibt jedoch einige seltene Situationen, in denen ein Bürger durch Rechtsvorschriften unmittelbar betroffen ist. Beispielsweise liegt ein solcher Fall dann vor, wenn das Gesetz keines Vollzugsaktes bedarf, etwa wenn per Gesetz ein näher bezeichnetes Grundstück enteignet wird. Dann ist es denkbar, dass ein Betroffener unmittelbar gegen das Gesetz selbst Verfassungsbeschwerde einlegt.
Art. 93 GG
Siehe auch Bundesverfassungsgericht, Grundrechte

Wer sich durch behördliche Handlungen einschliesslich Entscheidungen der Gerichte in seinen Grundrechten - diese sind im Grundgesetz in den ersten 19 Artikeln festgeschrieben — verletzt sieht, kann sich beim Bundesverfassungsgericht über dieses Handeln der staatlichen Behörde beschweren. Er kann z.B. die Aufhebung der Entscheidung verlangen oder gegebenenfalls auch ein bestimmtes Tätigwerden. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die Berechtigung der Beschwerde, weist sie gegebenenfalls ab oder weist die betroffene Behörde zu einem bestimmten Handeln an.
Soweit sich die Grundrechte nur auf deutsche Staatsbürger beziehen, können sich auch nur Deutsche gegen ein entsprechendes Verwaltungshandeln beschweren, soweit die Grundrechte jedoch übergreifend allen Menschen gewährt werden, die in der Bundesrepublik ihren Aufenthalt haben, können sich auch Ausländer an das Bundesverfassungsgericht wenden. Da mit dem Recht auf Verfassungsbeschwerde auch ein nicht unbeträchtlicher Missbrauch getrieben wurde durch Einlegung völlig aussichtsloser Verfassungsbeschwerden, die nur das Gericht und dessen sowieso schon sehr schwierige Tätigkeit besonders belasteten, wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Kosten erhoben werden für die Einbringung unbegründeter Verfassungsbeschwerden. Ist eine Beschwerde allerdings berechtigt, werden dem Antragsteller auch keine Kosten auferlegt.
Unter Verfügungen von Todes wegen versteht man Testamente, mit denen die Verteilung des Erbes - gegebenenfalls abweichend von der gesetzlichen Erbfolge - die Zuteilung von Vermächtnissen und Auflagen geregelt werden kann sowie die Erstellung von Erbverträgen.

Im Jahre 1969 ist in das Grundgesetz eine Bestimmung eingefügt worden, die es jedermann ermöglicht, Verfassungsbe schwerde mit der Begründung zu erheben, er sei «durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte» oder in einem anderen grundlegenden Recht, z.B. in seinem Wahlrecht, seinem Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs oder in seinen Rechten im Zusammenhang mit einem Freiheitsentzug, verletzt worden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG). Die Verfassungsbeschwerde muß binnen einer Frist von einem Monat eingelegt werden, nachdem der betroffene Bürger von der Verletzung Kenntnis erlangt hat. Sie ist beim Bundesverfassungsgericht einzulegen. Dort wird sie zunächst von einer aus drei Richtern bestehenden Kammer «vorgeprüft». Diese entscheidet in klaren Fällen selbst, entweder indem sie der Verfassungsbeschwerde stattgibt oder indem sie deren Annahme verweigert, was in den meisten Fällen geschieht. Ist die Sache aber zweifelhaft oder von grundsätzlicher Bedeutung, so legt die Kammer sie dem zuständigen Senat zur Entscheidung vor (§§90-96 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht). - In den einzelnen Bundesländern gibt es entsprechende Vorschriften über die Anrufung der Verfassungsgerichte der Länder, die allerdings in Berlin und den neuen Bundesländern erst noch gebildet werden müssen.

jedermann kann mit der Behauptung, selbst, unmittelbar und gegenwärtig durch eine Massnahme der öffentlichen Gewalt (Gesetze, Rechtsnormen, Verwaltungsakte und rechtskräftige Gerichtsentscheidungen) in einem Grundrecht verletzt zu sein, die V. zum Bundesverfassungsgericht (bei Verletzung von Landesgrundrechten zum Landesverfassungsgericht) erheben.

kann jedermann mit der Behauptung erheben, in einem seiner Grundrechte oder in bestimmten grundrechtsgleichen Rechten durch die öffentliche Gewalt verletzt zu sein (Art. 93 I Nr. 4a). Diese Verfassungsgarantie ist für einen effektiven Grundrechtsschutz besonders wichtig, weil ohne solche gerichtliche Sanktion der Grundrechtsinhaber auf den freiwilligen Verfassungsgehorsam der ihm gegenüberstehenden Staatsorgane angewiesen wäre. Allerdings knüpfen sich an jenen Rechtsbehelf - auf ihm basieren die weitaus meisten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht - oft utopische Erwartungen des Bürgers, wie die ausserordentlich geringe Erfolgsquote zeigt.
Beschwerdebefugt ist nur der unmittelbar Betroffene. Das Grundgesetz hat sich bewusst gegen eine verfassungsrechtliche Popularklage entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist auch kein zusätzliches Rechtsmittel, das dem Betroffenen eine Art von Superrevision gegen höchstrichterliche Entscheidungen der Fachgerichtsbarkeit eröffnet. Es handelt sich hier vielmehr um einen besonderen Rechtsbehelf zum Schutz individueller Grundrechte und des objektiven Verfassungsrechts. Die gerügte Grundrechtsverletzung kann in hoheitlichen Akten der Gesetzgebung, der Exekutive oder der Rechtsprechung begründet sein. Freilich ist die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz - und nicht erst gegen den geset- zesanwendenden Vollzugsakt - nur dann zulässig, wenn bereits der Erlass des Gesetzes den Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem seiner Grundrechte verletzt.
Bedeutsam ist ferner das grundsätzliche Erfordernis der vorherigen Erschöpfung des Rechtsweges gegen die behauptete Grundrechtsverletzung. Nur ausnahmsweise kann schon vor Erschöpfung des Instanzenzugs zu den Fachgerichten über eine Verfassungsbeschwerde entschieden werden. Dies setzt voraus, dass die Beschwerde von allgemeiner Bedeutung ist und dass dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.
Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des mit Verfassungsbeschwerden förmlich überschwemmten Bundesverfassungsgerichts wurde der nicht unangefochtene Filter des Annahmeverfahrens nachträglich eingeführt. Hier entscheidet regelmässig eine aus drei Verfassungsrichtern gebildete Kammer. Sie kann die Annahme durch einstimmigen Beschluss ablehnen, wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist oder wenn sie aus anderen rechtlichen Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Indessen darf die zuständige Kammer einer offensichtlich begründeten Verfassungsbeschwerde auch einstimmig stattgeben.

. Nach Art. 93 I Nr. 4 a GG kann jedermann beim Bundesverfassungsgericht V. mit der Behauptung erheben, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein (§§ 90 ff. BVerfGG). Mit der V. können nicht nur Verwaltungsakte, sondern auch Gesetze u. andere Rechtsnormen, sofern sie den Beschwerdeführer unmittelbar u. gegenwärtig in einem Grundrecht verletzen, sowie Gerichtsurteile angegriffen werden. Die V. ist i.d.R. subsidiär, d.h. erst dann zulässig, wenn der Rechtsweg erschöpft ist. Gemeinden u. Gemeindeverbände können unter den Voraussetzungen des Art. 93 I Nr. 4 b GG V. wegen Verletzung ihres in Art. 28 GG gewährleisteten Rechts auf Selbstverwaltung erheben. - Die V. bedarf der Annahme zur Entscheidung durch den zuständigen Senat; die Annahme kann durch einstimmigen Beschluss einer aus 3 Richtern gebildeten Kammer abgelehnt werden, wenn die V. unzulässig ist oder aus anderen Gründen keine hinreichende Erfolgsaussicht hat oder wenn zu erwarten ist, dass der Senat die V. nicht annimmt (§§93 aff. BVerfGG). Für erfolglose V. kann eine Gebühr, für missbräuchlich eingelegte V. eine Missbrauchsgebühr erhoben werden (§ 34 BVerfGG).

ist die verfassungsrechtliche Möglichkeit, das Verfassungsgericht zum Schutz eines dem Beschwerdeführer nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen. Nach Art. 93 I Nr. 4 a GG kann jedermann eine V. bei dem Bundesverfassungsgericht mit der Behauptung erheben, er sei durch die öffentliche Gewalt (Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung) in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 IV, 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt worden. Diese V. ist ein in den §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG näher geregelter Rechtsbehelf. Sie ist innerhalb eines Monats zu erheben und zu begründen (§ 93 I 1 BVerfGG). Sie kann sich vor allem gegen Gesetze, Urteile und Verwaltungsakte richten, setzt aber grundsätzlich die Erschöpfung des Rechtswegs voraus (§ 90 II BVerfGG, bis 31. 12. 1999 wurden 75 140 V. eingelegt, davon 1986 2935, 1992 4214, 1999 knapp 5000, davon 2,6% erfolgreich), wobei im Zivilprozessrecht der Rechtsweg nicht erschöpft ist, wenn das Revisionsgericht den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverweist. Seit 1993 ist eine V. nur noch dann zur Entscheidung anzunehmen, wenn ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder die Annahme zur Durchsetzung der Grundrechte angezeigt ist (§ 93 a II BVerfGG). Eine aus drei Richtern bestehende Kammer entscheidet die offensichtlich unbegründete und die offensichtliche begründete V. endgültig und legt die übrigen Verfassungsbeschwerden dem Senat vor. 1998 entschied das Bundesverfassungsgericht über eine V., die der Beschwerdeführer bereits zurückgenommen hatte. Außerdem schloss es eine V. wegen Verletzung der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl in den Ländern wegen Vorrangs der Artt. 28 I 2, 38 I 1 GG aus. Lit.: Dörr, D., Die Verfassungsbeschwerde in der Prozesspraxis, 2. A. 1997; Clausen, H., Landesverfassungsbeschwerde und Bundesstaatsgewalt, 2000; Kreu- der, T., Praxisfragen zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, NJW 2001, 1243; Kleine-Cosack, M., Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde, 2001 ; Vogel, S., Der Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts bei Verfassungsbeschwerden, 2004; Zuck, R., Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. A. 2006

Rechtschutzmöglichkeit des Bürgers gegen grundrechtswidrige Hoheitsakte (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§13 Nr.8 a, 90 ff. BVerfGG). Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG entscheidet das BVerfG über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein. Obwohl die Verfassungsbeschwerde zahlenmäßig das bedeutendste Verfahren vor dem BVerfG ist (ca. 96% aller anhängigen Verfahren), sind lediglich ca. 2,5% erfolgreich.
Die gem. § 23 Abs. 1 BVerfGG schriftlich zu erhebende Verfassungsbeschwerde muss das verletzte Recht bezeichnen und die Handlung bzw. Unterlassung des Hoheitsträgers, durch den sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt fühlt, § 92 BVerfGG. Beteiligtenfähig ist nach §90 Abs. 1 BVerfGG „jedermann”, d. h. jeder mögliche Träger eines Grundrechts ( Grundrechtsfähigkeit). Die Prozessfähigkeit, also die Fähigkeit, selbst Verfahrenshandlungen vorzunehmen, die im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde nicht geregelt sind, setzt die Grundrechtsmündigkeit des Beschwerdeführers voraus.
Mit der Verfassungsbeschwerde können grundsätzlich alle Akte der öffentlichen Gewalt angegriffen werden, § 90 Abs. 1 BVerfGG. Dazu zählen alle Handlungen oder Unterlassungen der Gesetzgebung (Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde), der Rspr. (Urteils-Verfassungsbeschwerde) und der Verwaltung. Eine Verfassungsbeschwerde ist aber nur zulässig, wenn sich aus dem Vortrag des Beschwerdeführers ergibt, dass durch den Hoheitsakt eine Verletzung von Grundrechten möglich ist, eine Grundrechtsverletzung also nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, § 90 Abs. 1 BVerfGG. Des Weiteren muss der Beschwerdeführer darlegen, dass er
— selbst betroffen ist. Dies ist nicht der Fall, wenn kein eigenes Recht geltend gemacht wird. Sog. Popularbeschwerden sind ausgeschlossen;
gegenwärtig betroffen ist, eine mögliche Grundrechtsverletzung in ungewisser Zukunft reicht nicht aus. So ist eine Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde erst nach Verkündung des Gesetzes zulässig;
— unmittelbar betroffen ist. Es dürfen für eine mögliche Grundrechtsverletzung keine weiteren Zwischenakte erforderlich sein. Problematisch ist dies bei Rechtssatz-Verfassungsbeschwerden. Eine unmittelbare Betroffenheit ist nicht gegeben, wenn
die Rechtsnorm (z. B. die polizeirechtlichen Generalklauseln) erst von der Verwaltung umgesetzt werden muss, z. B. durch den Erlass eines Verwaltungsaktes. Sie ist gegeben bei den sog. „Self-executing-Normen”, also solchen, die ohne weiteren Umsetzungsakt Rechtsfolgen entfalten.
Grundsätzlich kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Rechtswegerschöpfung erhoben werden, § 90 Abs. 2 S.1 BVerfGG. Der Beschwerdeführer muss vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle möglichen Rechtsmittel (wobei z. B. Fristversäumnisse oder ein Verzicht schädlich sind) ausschöpfen. Da ein Rechtsweg gegen Rechtsnormen (mit Ausnahme der abstrakten Normenkontrolle gern. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, die mangels landesrechtlicher Ergänzungsnorm allerdings in einigen Bundesländern nicht anwendbar ist) in der Regel nicht gegeben ist, hat das BVerfG den Grundsatz der Subsidiarität entwickelt (BVerfGE 58, 81; 71, 305). Danach ist eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Rechtsnorm unzulässig, wenn es dem Betroffenen möglich und zumutbar ist, durch fachgerichtlichen Rechtsschutz eine Inzidenterkontrolle der Rechtsnorm zu erreichen und das Fachgericht der behaupteten Grundrechtsverletzung abhelfen kann (z.13. Abwarten eines Verwaltungsaktes, gegen den dann vor dem Verwaltungsgericht vorgegangen werden kann).
Das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung und der Grundsatz der Subsidiarität werden gem. § 90 Abs. 2 S.2 BVerfGG durchbrochen, wenn die Beschwerde von allgemeiner Bedeutung ist (Klärung grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen, durch die gleich gelagerte Fälle mitentschieden werden) oder schwere Nachteile drohen. Dieser Rechtsgedanke wird vom BVerfG auch angewendet, wenn die Erschöpfung des Rechtsweges dem Betroffenen unzumutbar ist, z. B. weil eine gefestigte höchstrichterliche Rspr. entgegensteht oder weil ein geplantes Verhalten des Beschwerdeführers strafrechtlich sanktioniert wäre.
Die Verfassungsbeschwerde ist fristgebunden. Eine Urteils-Verfassungsbeschwerde ist gern. § 93 Abs. 1 BVerfGG binnen eines Monats, eine Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde innerhalb eines Jahres (§ 93 Abs. 3 BVerfGG) zu erheben.
Bevor sich der Senat mit einer Verfassungsbeschwerde befasst, prüft eine aus drei Richtern bestehende Kammer (§ 15a BVerfGG) vorab, ob die Beschwerde zur Entscheidung angenommen wird (§§ 93 a ff. BVerfGG). Durch einstimmigen Beschluss kann die Kammer die Annahme ablehnen, wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist oder sonst keinen Erfolg verspricht. Ist sie hingegen offensichtlich begründet, so kann die Kammer der Beschwerde stattgeben (§ 93 c Abs. 1 BVerfGG). Ansonsten entscheidet der zuständige Senat ohne mündliche Verhandlung über die Annahme.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn der Akt der öffentlichen Gewalt ein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht verletzt. Dabei überprüft
das BVerfG alle in Betracht kommenden Grundrechte, nicht nur die vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten. Bei Urteils-Verfassungsbeschwerden prüft das BVerfG lediglich, ob eine spezifische Verfassungsverletzung gegeben ist („willkürliche und objektiv unhaltbare Entscheidung”), also nicht, ob das Gericht das einfache Recht richtig angewendet oder ausgelegt hat (BVerfGE 18, 85; 42, 143). Das BVerfG ist keine „Superrevisionsinstanz”.
Hält das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde für begründet, so stellt es die Grundrechtsverletzung fest, hebt ein Urteil in der Regel auf und verweist es zurück; ein Gesetz wird für nichtig erklärt (§ 95 BVerfGG).
Nach Art.93 Abs. 1 Nr.4b GG entscheidet das BVerfG des Weiteren über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen der Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung (Selbstverwaltungsgarantie) nach Art.28 Abs. 2 GG durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann.
Das Verfahren vor dem BVerfG ist gern. § 34 Abs. 1 BVerfGG kostenfrei. Allerdings kann das BVerfG dem Beschwerdeführer eine Gebühr bis zu 2 600€ auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt.

1.
Nach Art. 93 I Nr. 4 a GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht über V., die von jedermann (natürl. und jurist. Personen) mit der Behauptung (ausreichend substantiierter - „plausibler“ - Vortrag notwendig) erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem ihm zustehenden Grundrecht oder in einem der in Art. 20 IV, 33, 38, 101, 103, 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein (diese beinhalten: Widerstandsrecht, staatsbürgerl. Rechte, Zugang zu öffentl. Ämtern, Beamtenrecht, aktives und passives Wahlrecht, Recht auf den gesetzlichen Richter, rechtliches Gehör, Verbot der Doppelbestrafung und der ungesetzlichen Freiheitsentziehung). Nach Art. 93 I Nr. 4 b GG entscheidet das BVerfG ferner über V. von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung (Art. 28 GG) durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann („kommunalrechtliche V.“ im Gegensatz zur „individualrechtlichen V.“). Nach Art. 94 II GG kann das Gesetz für V. die vorherige Erschöpfung des Rechtsweges (s. u. 3) zur Voraussetzung machen und ein besonderes Annahmeverfahren (s. u. 4) vorsehen.

2.
Mit der V. können grundsätzlich alle Maßnahmen der öffentlichen Gewalt angegriffen werden, also Akte der Gesetzgebung (u. U. auch ein Unterlassen des Gesetzgebers), Verwaltungsakte und gerichtliche Endentscheidungen (Zwischenentscheidungen, soweit sie einen bleibenden, im weiteren Verfahren nicht mehr reparablen rechtlichen Nachteil für den Betroffenen bedeuten, z. B. der Eröffnungsbeschluss im Strafverfahren). Auf V. gegen gerichtliche Entscheidungen prüft das BVerfG nur die Beachtung grundrechtlicher Normen und Maßstäbe durch das Gericht, insbes. ob eine Entscheidung „objektiv willkürlich“ ist und damit gegen Art. 3 GG verstößt, nicht aber die Richtigkeit der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts (vgl. BVerfGE 42, 143/148); das BVerfG ist also keine „Superrevisionsinstanz“.

3.
Die V. kann grundsätzlich (vgl. § 90 II 2 BVerfGG) erst erhoben werden, wenn der Rechtsweg erschöpft, d. h. mit allen gegebenen Rechtsmitteln versucht worden ist, vor den zuständigen Gerichten die Beseitigung des verletzenden Hoheitsaktes zu erreichen; dazu gehört z. B. auch, dass der Beschwerdeführer einen verfassungswidrigen Verfahrensmangel im Revisionsverfahren ordnungsgemäß gerügt hat. Die V. gegen Rechtsnormen (Gesetze, RechtsVOen, Satzungen: „Rechtsnorm-V.“ oder „Rechtssatz-V.“) ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die Rechtsnorm - nicht erst durch einen Vollzugsakt - in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt sein kann und auch keine sonstige fachgerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit, z. B. durch eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage, besteht (Grundsatz der Subsidiarität der V.; vgl. BVerfGE 71, 305, 336).

4.
Das Verfahren vor dem BVerfG ist in §§ 90 ff. BVerfGG näher geregelt. Die schriftlich anzubringende V. (§ 23 BVerfGG) muss das verletzte Grundrecht und den verletzenden Hoheitsakt bezeichnen; sie ist binnen bestimmter Frist (nach § 93 BVerfGG 1 Monat, bei Gesetzen 1 Jahr) einzureichen. Eine aus 3 Richtern bestehende Kammer des BVerfG prüft die V. vor und kann durch einstimmigen Beschluss ihre Annahme ablehnen, wenn sie unzulässig ist oder sonst keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat; bei offensichtl. Begründetheit kann die Kammer der V. stattgeben (§ 93 b BVerfGG). Andernfalls entscheidet der zuständige Senat ohne mündliche Verhandlung über die Annahme. Im Verfahren über die V. selbst kann unter gewissen Voraussetzungen von mündlicher Verhandlung abgesehen werden. Hält das BVerfG die V. für begründet, so stellt es die Grundrechtsverletzung fest und hebt die grundrechtsverletzende Maßnahme der öffentlichen Gewalt auf; ein grundrechtswidriges Gesetz erklärt es für nichtig (§§ 95, 31 BVerfGG). Kosten: s. Anhang.

5.
Die V. ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf; deshalb wird z. B. der Eintritt der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung durch die Einlegung einer V. nicht gehemmt.

6.
In den Verfassungen der Länder ist z. T. die Möglichkeit einer V. vorgesehen, z. T. auf bestimmte Fälle beschränkt. Am weitesten geht Bayern, wo gem. Art. 120 BV jeder Bewohner, der sich durch eine Behörde (auch Gericht) in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt, den Schutz des BayVerfGH anrufen kann (nicht gegen Rechtsnormen: Hierfür steht die Popularklage nach Art. 98 S. 4 BV zur Verfügung). Prüfungsmaßstab für die Landesverfassungsbeschwerde sind die Grundrechte der jeweiligen Landesverfassung.




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