Haftbefehl

Ein Richter darf gegen einen Beschuldigten eine Untersuchungshaft anordnen, wenn dieser der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Der Haftbefehl erfolgt schriftlich und enthält folgende Angaben:
* die Personalien des Beschuldigten,
* die Tat, deren er dringend verdächtig ist,
* die Bezeichnung des Haftgrunds,
* die Fakten, aus denen sich der Tatverdacht herleitet.

Bei der Festnahme wird der Haftbefehl verlesen oder es wird dem Beschuldigten zumindest mitgeteilt, welcher Tatverdacht gegen ihn besteht. Ihm ist eine Abschrift des Haftbefehls auszuhändigen, damit er dessen Rechtmäßigkeit überprüfen kann.
112 StPO
Siehe auch Haftrichter
Haftgründe
Das Gesetz nennt verschiedene Haftgründe.
* Flucht: Ein Haftgrund liegt immer vor, wenn ein Beschuldigter flüchtig ist oder sich verborgen hält.
* Fluchtgefahr: Ist bei Würdigung der Umstände des Einzelfalls nicht auszuschließen, dass sich der mutmaßliche Täter dem Strafverfahren entziehen wird, so besteht Fluchtgefahr.
* Verdunkelungsgefahr: Sie ist vorhanden, soweit der Beschuldigte versucht, Beweismittel zu vernichten, beiseite zu schaffen oder zu manipulieren. Es kann auch sein, dass er sich bemüht, auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige einzuwirken, um deren Verhalten im Strafprozess zu beeinflussen.
* Wiederholungsgefahr: Bei schweren Delikten ist oft von weiteren Straftaten auszugehen, etwa bei Tötung oder Aktionen mit terroristischem Hintergrund.

§ 112a StPO
Verhaftung in einem beschleunigten Verfahren
Im Juli 1997 hat der Gesetzgeber das Verfahren zur beschleunigten Aburteilung Kleinkrimineller neu geregelt. Staatsanwaltschaft und Polizei sind zur vorläufigen Festnahme eines auf frischer Tat Betroffenen oder Verfolgten befugt, soweit eine unverzügliche Entscheidung in einem beschleunigten Verfahren wahrscheinlich ist und man aufgrund bestimmter Tatsachen befürchten muss, dass der mutmaßliche Delinquent der Hauptverhandlung fernbleiben wird. Diese muss allerdings binnen einer Woche zu erwarten sein. Von daher darf der Haftbefehl von vornherein nur auf eine Woche ab der Festnahme befristet werden.
§§ 127b, 417 ff. StPO
Siehe auch Beschleunigtes Verfahren

Haftdauer
Selbstverständlich ist der Haftbefehl bei einem Freispruch, einer Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens und einer endgültigen Verfahrenseinstellung aufzuheben. Die Untersuchungshaft endet gleichermaßen, sobald die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Der Festgenom-
mene kommt ebenfalls frei, wenn sich ergibt, dass die Fortsetzung der Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache, die man ihm zur Last legt, und zur erwarteten Strafe bzw. Maßregel in keinem Verhältnis stehen würde.
§§ 112 ff., 120 StPO


Keine Untersuchungshaft über sechs Monate

Sachverhalt: Ein Mann saß seit dem 24. November 1995 aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Duisburg vom selben Tag in Untersuchungshaft. Gegen ihn bestand der dringende Verdacht, drei Tage zuvor versucht zu haben, seinen einjährigen Sohn zu töten. Die Untersuchungshaft zog sich über Monate hin, ohne dass Anklage erhoben wurde. Nach Darlegung der Staatsanwaltschaft konnte man die Ermittlungen nicht abschließen, weil ein am 8. Januar 1996 in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten zur Schuldfähigkeit des Inhaftierten trotz mehrfacher Mahnungen nicht eintraf. Der Ermittlungsrichter und die Staatsanwaltschaft hielten die Fortdauer der Untersuchungshaft für notwendig. Indes hob das Oberlandesgericht Düsseldorf den Haftbefehl am 31. Mai 1996 auf.

Begründung: Die Strafprozessordnung besagt, dass eine Untersuchungshaft, die länger als sechs Monate dauert, nur zu vertreten ist, wenn sich die Ermittlungen besonders schwierig oder umfangreich gestalten bzw. wichtige Gründe vorliegen, die noch kein Urteil zulassen. Darauf verwies das Oberlandesgericht und führte aus, diese Ausnahmetatbestände seien nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts eng auszulegen. Insbesondere habe die Schwere der Tat im Rahmen der Vorschrift keine Bedeutung. Im vorliegenden Fall stelle die zögerliche Bearbeitung des Gutachterauftrags kein wichtiges Argument dar, das eine Haftverlängerung bis zur Erhebung der Anklage und darüber hinaus bis zur Hauptverhandlung rechtfertigen könne. Gegebenenfalls hätte die Staatsanwaltschaft den Gutachter rechtzeitig durch Ordnungsrnillel zur Einreichung seiner Stellungnahme anhalten müssen.

OLG Düsseldorf, 2 Ws 194/96; WW 1996, 2588; § 121 StPO

Wenn jemand für einen längeren Zeitraum als 48 Stunden (Festnahme) in seiner Freiheit beschränkt werden soll, so bedarf es dazu eines richterlichen Haftbefehls (Art. 104 GG) oder einer entsprechenden richterlichen Anordnung (Unterbringung). Ein Haftbefehl darf nur ergehen, wenn dies in einem Gesetz (im formellen Sinne) vorgesehen ist. Die meisten Haftbefehle ergehen aufgrund der Strafprozeßordnung (StPO), häufig sind aber auch Haftbefehle zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung eines Schuldners in der Zwangsvollstreckung. Weiter gibt es Haftbefehle gegen Zeugen zur Erzwingung einer Aussage, die Sicherungshaft aufgrund eines persönlichen Arrestes, die Abschiebungshaft bei Ausländern. Bei den Haftbefehlen nach der StPO muß man unterscheiden zwischen solchen, die im Ermittlungsverfahren gegen einen Verdächtigen ergehen und zu einer Untersuchungshaft führen, und solchen, die nach der Rechtskraft eines Strafurteils ergehen, wenn der Verurteilte eine Freiheitsstrafe nicht freiwillig antritt. Sie dienen der Strafvollstreckung.

1) Im Ermittlungs- u. Strafverfahren: richterliche Anordnung der Untersuchungshaft (Näheres s. dort) gegen den einer Straftat dringend verdächtigen Beschuldigten unter der Voraussetzung, dass Haftgründe (diese siehe Untersuchungshaft) vorliegen. Haftbefehl darf nicht ergehen, wenn die Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache u. der zu erwartenden Strafe ausser Verhältnis steht (§ 112 Abs. 1 StPO). Im H. sind anzuführen (§ 114 StPO):
a) Beschuldigter, b) die Tat, deren der Beschuldigte dringend verdächtig ist, Zeit u. Ort ihrer Begehung, sowie die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung u. die anzuwendenden Strafvorschriften, c) Haftgründe, d) die Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht u. der Haftgrund ergibt (ausgenommen die Staatssicherheit wäre hierdurch gefährdet). H. ist Beschuldigten bei Verhaftung (Näheres s. dort) bekannt zu geben. a. Haftprüfung, Haftbeschwerde, Untersuchungshaft, Steckbrief. -2) Im Strafvollstreckungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft gegen Verurteilten Vorführungs- od. Haftbefehl erlassen, wenn dieser der Ladung zum Strafantritt nicht gefolgt od. der Flucht verdächtig ist (§ 457 StPO). 3) Im Zivilprozess ist Haft Beugestrafe od. Sicherungsmassnahme (z. B. persönlicher Arrest); Siehe auch Haftanordnung.

Freiheitsentziehung

. Im Strafprozess ist der H. die schriftliche Anordnung der Untersuchungshaft durch einen Richter(§§ 112 ff. StPO). Er darf nur bei dringendem Tatverdacht, bei Vorliegen eines Haftgrundes und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit erlassen werden. Ein Haftgrund besteht bei Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr; für bestimmte Delikte genügt Wiederholungsgefahr. Bei einzelnen besonders schweren Straftaten, insbes. Verbrechen wider das Leben, ist ein Haftgrund nicht erforderlich. Das Verhältnismässigkeitsprinzip äussert sich darin, dass bei Straftaten, die nur mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit geringer Geldstrafe bedroht sind, ein H. nur ausnahmsweise ergehen darf. Der H. ist dem Beschuldigten bei der Verhaftung bekanntzugeben; ein Angehöriger oder eine Vertrauensperson ist von der Verhaftung zu informieren. Wird der Beschuldigte aufgrund des H. ergriffen, ist er unverzüglich dem zuständigen Richter vorzuführen, der ihn spätestens am nächsten Tag zu vernehmen hat. Sofern die Haft aufrechterhalten wird, muss der Beschuldigte über das Recht der Beschwerde u. andere Rechtsbehelfe (insbes. den jederzeit zulässigen Antrag auf Haftprüfung) belehrt werden. Der Richter hat den Vollzug der Haft auszusetzen, wenn weniger einschneidende Massnahmen den Zweck der Untersuchungshaft zu erreichen vermögen. Der H. ist aufzuheben, wenn seine Voraussetzungen nicht mehr vorliegen (z.B. bei freisprechendem Urteil).

(z.B. § 114 StPO) ist die schriftliche Anordnung eines zuständigen Richters, einen Menschen in Haft zu nehmen. Der H. hat grundsätzlich einen bestimmten Mindestinhalt. Er ist dem Betroffenen bei der Verhaftung bekannt zu geben. Von der Verhaftung ist ein Angehöriger oder eine Vertrauensperson zu unterrichten. Im Haftprüfungsverfahren ist zu prüfen, ob der H. aufzuheben oder sein Vollzug auszusetzen ist. Der H. ist aufzuheben, wenn seine Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Vom H. ist die Festnahme zu unterscheiden. Lit.: Volk, E., Haftbefehle, 1995; Böhm, K., Das neue europäische Haftbefehlsgesetz, NJW 2006, 2592

Schriftliche gerichtliche Anordnung der Inhaftierung einer Person im Strafverfahren. Zu unterscheiden sind
Untersuchungshaft gemäß § 112 StPO. Hierzu gehört auch der durch den Haftgrund der Wiederholungsgefahr begründete Sicherungshaftbefehl gemäß § 112a StPO,
— Haft als Zwangsmittel gem. § 230 Abs. 2 StPO bei Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung,
Hauptverhandlungshaft zur Sicherstellung der Anwesenheit des Beschuldigten in der Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren,
Vollstreckungshaftbefehl gegen den Verurteilten, der einer Ladung zum Strafantritt nicht Folge geleistet hat (§ 457 Abs. 2 S.1 StPO).
Der in der Praxis wichtigste Haftbefehl gemäß §§ 112 ff. StPO ergeht vor Anklageerhebung auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch den Amtsrichter (Haftrichter,§ 125 Abs. 1 StPO), nach Anklageerhebung durch das mit der Sache befasste Gericht. Voraussetzungen des Haftbefehls sind
— dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten,
— Vorliegen eines Haftgrundes gemäß § 112 Abs. 2 Nr.1 StPO, § 112 Abs. 3 StPO oder § 112a StPO,
Verhältnismäßigkeit (4 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) des Haftbefehls (§ 112 Abs. 1 S.2 StPO): Danach darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
Nach BVerfG StV 2008, 421 sind bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ibs. die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall der Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung und das hypothetische Ende einer möglicherweise zu erwartenden Freiheitsstrafe zu berücksichtigen. Dabei ist im Hinblick auf den Resozialisierungszweck der Strafhaft grds. nicht gerechtfertigt, einen Verurteilten bis zum Zeitpunkt der Vollverbüßung der ausgesprochenen Strafe in Untersuchungshaft zu halten.
Bei Taten, die nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bedroht sind, darf gemäß § 113 Abs. 1 StPO ein Haftbefehl wegen Fluchtgefahr nur unter besonderen Voraussetzungen, wegen Verdunklungsgefahr gar nicht erlassen werden. Wie § 113 StPO sind auch die Regelungen zur Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls in § 116 StPO besondere Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Der Haftbefehl ergeht schriftlich mit dem in § 114 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Inhalt. Eine Abschrift ist gemäß § 114a StPO dem Beschuldigten — ggf. mit Übersetzung — bei seiner Verhaftung auszuhändigen. Das am 1. 1.2010 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts v. 29. 7. 2009 (BGBl. I 2009, 2274ff.) sieht in § 114b StPO nunmehr unverzügliche und umfangreiche Belehrungspflichten des Festgenommenen vor, die deutlich über die Anforderungen der §§ 136, 163a Abs. 3 StPO hinausgehen. Demnach ist der verhaftete Beschuldigte schriftlich darauf hinzuweisen, dass er
unverzüglich, spätestens am Tag nach der Ergreifung dem Gericht vorzuführen ist
das Recht hat, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen
zu seiner Entlastung Beweiserhebungen beantragen kann
— jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann
— die Untersuchung durch einen Arzt oder eine Ärztin seiner Wahl verlangen kann
— einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson benachrichtigen kann (wozu dem Festgenommenen
gern. § 114a StPO unverzüglich Gelegenheit zu geben ist)
Der auf Grund eines Haftbefehls ergriffene Beschuldigte ist gern. § 115 StPO unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen, das den Beschuldigten vernimmt und über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls entscheidet. Ist eine Vorführung vor das zuständige Gericht nicht möglich, erfolgt gem. §115a StPO Vorführung vor das nächste Amtsgericht, das den Haftbefehl jedoch weder aufheben noch außer Vollzug setzen kann. Einwendungen des Beschuldigten oder Bedenken des Gerichts gegen die Aufrechterhaltung des Haftbefehls sind dem zuständigen Gericht und der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich mitzuteilen. Rechtsschutz im Haftrecht besteht für den Betroffenen wahlweise durch die Haftbeschwerde, die der Sache nach wie eine (einfache) Beschwerde zu behandeln ist, oder den Antrag auf Haftprüfung gemäß §§ 117 ff. StPO. Letztere hat wegen des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen nach dreimonatiger Untersuchungshaft von Amts wegen durch den Haftrichter (§ 117 Abs. 5 StPO), nach sechsmonatiger Untersuchungshaft durch das Oberlandesgericht zu erfolgen (§ 121 StPO).

ist die - in aller Regel richterliche (Ausnahme unten 4) - Anordnung zur Inhaftnahme einer Person.

1.
Im Strafprozess kann gegen den Beschuldigten ein H. erlassen werden, um die Durchführung des Verfahrens zu sichern. Voraussetzungen sind dringender Tatverdacht und ein Haftgrund (§§ 112, 127 b II StPO).

a) Haftgründe sind: Flucht des Beschuldigten, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, bei bestimmten schwerwiegenden Delikten Wiederholungsgefahr, sowie Befürchtung des Fernbleibens von der Hauptverhandlung. Bei Mord, Totschlag, Völkermord nach § 6 I Nr. 1 VStGB, schwerer Körperverletzung, besonders schwerer Brandstiftung, Brandstiftung mit Todesfolge und personengefährdendem Sprengstoffverbrechen nach § 308 StGB sowie Gründung von oder Beteiligung an terroristischen Vereinigungen ist die Schwere des Delikts gesetzlicher Haftgrund. Bis auf den letztgenannten muss sich der Haftgrund aus bestimmten, im H. anzuführenden Tatsachen ergeben; unbestimmter Verdacht oder Vermutungen reichen nicht aus.
Fluchtgefahr muss unter Würdigung aller Umstände gerechtfertigt sein, die im Einzelfall abzuwägen sind (Bindung an Arbeitsplatz und Familie; anderseits Fluchtvorbereitungen).
Verdunkelungsgefahr ist nur begründet, wenn bestimmte Tatsachen die Absicht des Beschuldigten erkennen lassen, Beweismittel zu beseitigen oder zu fälschen (Tatspuren, belastende Schriftstücke) oder in unlauterer Weise auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige, wenn auch mittelbar, einzuwirken (Versuch, Belastungszeugen zu anderen Aussagen - nicht nur zur Zeugnisverweigerung - zu bewegen), und wenn dadurch die Wahrheitsermittlung erschwert wird.
Wiederholungsgefahr ist Haftgrund nur bei bestimmten Sexualstraftaten (§§ 174, 174 a, 176-179 StGB) und Nachstellung gem. § 238 II, III StGB; ferner in schweren Fällen bestimmter, wiederholt oder fortgesetzt begangener Delikte, wenn mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe zu erwarten ist: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89 a StGB, Rechtsstaatsgefährdung), besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Diebstahl, Raub, Erpressung, Hehlerei, Betrug, Brandstiftung, Autostraßenraub, Betäubungsmittelstraftaten (§ 112 a StPO).
Bei Vergehen, die mit höchstens 6 Mon. Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bedroht sind, ist als Haftgrund nur Fluchtgefahr zugelassen und nur bei Beschuldigten, die keinen inländischen Wohnsitz haben oder sich nicht ausweisen können oder sich dem Verfahren bereits einmal durch Flucht entzogen oder zu entziehen versucht haben (§ 113 StPO). Aber auch bei anderen Straftaten darf die Untersuchungshaft nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht verhängt werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (Maßregel der Besserung und Sicherung) außer Verhältnis steht (§ 112 I 2 StPO).

b) Der schriftliche H. muss die Personalien des Beschuldigten, die ihm zur Last gelegte Straftat, den Haftgrund, das anzuwendende Strafgesetz und die für Tatverdacht und Haftgrund sprechenden Tatsachen anführen (§ 114 StPO). Der Beschuldigte muss bei der Verhaftung eine Abschrift und, wenn er die deutsche Sprache nicht beherrscht, eine Übersetzung erhalten; ist dies nicht möglich, muss unverzüglich eine mündliche Unterrichtung stattfinden und die Aushändigung nachgeholt werden (§ 114 a StPO). Ferner ist der verhaftete Beschuldigte unverzüglich schriftlich und, wenn dies nicht ausreicht, auch mündlich über seine Rechte (Vorführung vor das Gericht, Äußerungsfreiheit, Beweiserhebung, Verteidigerbefragung, Untersuchung durch einen Arzt, Zuziehung eines Dolmetschers, Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimatstaates) zu belehren (§ 114 b StPO). Er kann einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens benachrichtigen, wenn dies den Untersuchungszweck nicht gefährdet; wird nach der Vorführung die Haft vollzogen, hat das Gericht diese Personen zu benachrichtigen (§ 114 c StPO).

c) Der Vollzug des H. kann (bei Fluchtgefahr: muss) ausgesetzt werden, wenn weniger einschneidende Maßnahmen zur Sicherung des Haftzwecks genügen; so bei Fluchtgefahr Abgabe des Passes, regelmäßige Meldung bei der Polizei, Sicherheitsleistung (die Sicherheit verfällt, wenn der Beschuldigte sich der Untersuchung oder einer Freiheitsstrafe entzieht; §§ 116, 124 StPO), bei Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr das Verbot der Kontaktaufnahme mit Zeugen oder dem Tatopfer; selbst bei Mord, Totschlag oder Völkermord kann sich Aussetzung des Vollzugs im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtfertigen (BVerfG NJW 1966, 243).

d) Ein H. kann auch gegen einen Jugendlichen ergehen (§ 72 JGG). S. ferner (vorläufige) Festnahme, Haftprüfungsverfahren (auch über Haftbeschwerde), Haftunfähigkeit; wegen Inhaftnahme zur Durchführung des Sicherungsverfahrens Unterbringungsbefehl.

2.
Im Privatklageverfahren und im Bußgeldverfahren ist ein H. unzulässig.

3.
Ein H. kann ohne die besonderen Voraussetzungen des § 112 StPO gegen den trotz ordnungsmäßiger Ladung in der Hauptverhandlung unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten ergehen, um sein Erscheinen zu erzwingen (§ 230 StPO). Ebenso kann bei Befürchtung des Fernbleibens von einer Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren, die binnen 1 Woche nach Festnahme zu erwarten ist, Haft für 1 Woche angeordnet werden (§ 127 b, sog. Hauptverhandlungshaft); damit sollen insbes. reisende Straftäter und gewalttätige Demonstranten erfasst werden.

4.
Ein H. kann von der Vollstreckungsbehörde gegen den rechtskräftig Verurteilten erlassen werden, der sich auf Ladung nicht zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel stellt oder fluchtverdächtig ist, ebenso gegen den vollzugsflüchtigen Strafgefangenen. Statt des H. kann Vorführungsbefehl ergehen (§ 457 StPO, § 33 StrafvollstrO; Strafvollstreckung). Gegen einen Beschuldigten im Ausland kann durch den Verfolgungsstaat ein Internationaler H., der vom Aufenthaltsstaat nur noch vollzogen werden müsste, nicht erlassen werden. Es handelt sich in diesen Fällen nur um ein Ersuchen um (vorläufige) Festnahme zum Zwecke der Auslieferung, z. B. durch Ausschreibung (im Strafprozess) zur internationalen Fahndung, oder um Auslieferung. Ob der Aufenthaltsstaat dem Ersuchen nachkommt und den Beschuldigten inhaftiert, richtet sich nach seinem Recht und etwaigen zwischenstaatlichen Verträgen.

5.
Der Europäische H. nach dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI (RbEuHb) vom 13. 6. 2002 über den Europ. H. und das Übergabeverfahren (ABl. L 190, 1) ist kein H., sondern ein Fahndungsmittel, das im Verhältnis der EG-Mitgliedstaaten zueinander ein Auslieferungsersuchen zur Strafverfolgung (Auslieferung) oder zur Strafvollstreckung (Vollstreckungshilfe) ersetzt und ggf. zur Auslieferungshaft führt.

6.
Abschiebehaft Ausländer.

7.
Hat ein Schuldner nach bürgerlichem oder Zivilprozessrecht eine eidesstattliche Versicherung (Offenbarungsversicherung) abzugeben, kann das Gericht zu deren Erzwingung H. erlassen (§ 901 ZPO), ebenso zur Vollstreckung des persönlichen Arrests (§ 933 ZPO).




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